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Staatstheater Nürnberg (Oper): "Die Jüdin - La Juive" (Premiere: 17.01.2016). Im Bild: Chor des Staatstheater Nürnberg - Foto: Ludwig Olah
Staatstheater Nürnberg (Oper): "Die Jüdin - La Juive" (Premiere: 17.01.2016). Im Bild: Chor des Staatstheater Nürnberg - Foto: Ludwig Olah
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Durch Musik ins Exemplarische überhöht

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Fromental Halévys 1835 uraufgeführte „La Juive“ am Staatstheater Nürnberg. Ein Stück für und von heute. Wolf-Dieter Peter berichtet.

In der Dunkelheit leuchtet um den Souffleurkasten eine Gedächtnisstätte aus Kerzen und Blumen auf dem Bühnenboden. Das ist die einzige brandaktuelle Anspielung auf Parallelen zu „Paris“ und „Istanbul“, die sich das Staatstheater Nürnberg und das Bühnenteam um Regisseurin Gabriele Rech leisten. Ansonsten erwies sich Fromental Halévys 1835 uraufgeführte „La Juive“ ohnehin als „Stück von Heute“.

Gotthold Ephraim Lessing ließ 1779 in seinem einzigartigen „Nathan der Weise“ noch die aufklärerische Utopie leuchten: Jude, Muslim und Christ können human miteinander umgehen, denn letztlich sind sie doch miteinander verwandt im Sinne von Schiller-Beethovens „Alle Menschen werden Brüder“. Als nach der Revolution von 1830 im Frankreich des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe parallel zur Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung auch die Zensur fiel, wagten Künstler die kritische Bestandsaufnahme. Im historischen Kostüm des Konstanzer Konzils von 1414 führten Halévy und sein Librettist Eugène Scribe vor, wohin Fundamentalismus jeglicher Art führt:

In Rom hat der jüdische Goldschmied Eléazar Frau und Kind verloren; als Christen das Haus des Christen Brogli brandschatzen, rettet Eléazar ein kleines Mädchen aus den Flammen, flieht nach Konstanz und erzieht sie als Rachel im jüdischen Glauben, während Brogli im Christentum Trost sucht, zum Kardinal aufsteigt und eine Führungsfigur im Konzil wird; Rachel ist zur schönen Frau erblüht und hat sich in den „jüdischen Maler Samuel“ verliebt, der in Wahrheit der christliche Prinz Leopold ist; Neid auf den reichen Juden und „Blutschande“ fließen hysterisch zusammen; Rachel aber steht zu ihrer Liebe, bestätigt deshalb die „Unschuld“ des Prinzen, lehnt die „rettende“ Taufe ab und nimmt den Tod an; der zwischen Wahrheit und Kindesliebe schwankende Eléazar verharrt angesichts Rachels Haltung in Rachsucht und offenbart erst kurz vor seiner eigenen Hinrichtung dem Kardinal, dass dieser soeben die eigene Tochter hat töten lassen.

Diese Mischung aus Verlogenheit, Inhumanität, Massenhysterie, Staatsmord und Blutrache braucht kein historisierendes Kostüm – sie ist brisant – und so ließ Rech alles in Dieter Richters klaren Räumen und Gabriele Heimanns Kostümen von „Heute“ spielen, nüchtern, sachlich, bis hin zur schauerlichen Parallele, dass die damalige tödliche „Taufe in kochendem Wasser“ heute als „Waterboarding“ durch Uniformierte stattfindet.

Halévy, dessen Familie aus Fürth ins liberalere Paris geflüchtet war, hat die Problematik mit dem Zugeständnis eines „großen Balletts am Hofe des Kaisers“ in einer fünfaktigen und fünfstündigen Grande Opéra vertont: meisterlich, denn das Werk gewinnt von Akt zu Akt an musikdramatischer Expression, verdichtet die Verstrickungen in Terzetten bis hin zum Sextett oder großen Ensembles – und provoziert mit dem furchtbaren Finale die Katharsis der klassischen Tragödie: So darf die Welt nicht sein!

Das Staatstheater Nürnberg hat sich den enormen Anforderungen in einer knapp dreistündigen Strichfassung gestellt, die Guido Johannes Rumstadt differenziert dirigierte. Doch er konnte nicht verhindern, dass Werk, Premierenanspannung und Rundfunkübertragung alles mit etwas sängerdarstellerischer Steifheit und vokaler Verkrampfung überzogen. So werden Luca Lombardo (Eléazar), Uwe Stickert (Leopold), Nicolai Karnolsky (Brogli) und Banu Böke (Prinzessin) wohl in den Folgeaufführungen zu der expressiven Freiheit finden, die Nürnbergs vorangegangene Opéra-Großtaten („Hugenotten“, „Wilhelm Tell“, „Moses und Pharao“) bewundernswert machte. Einzig Leah Gordon verkörperte die schöne Rachel schon jetzt überzeugend und fand zu mal leidenschaftlichen, mal beseelten Tönen. Ihre „Jüdin“ bewies, dass Musiktheater eben keine opulente Unterhaltung für eine verwöhnte Kulturelite ist, sondern Probleme eindringlich komprimiert und durch Musik ins Exemplarische überhöht, 1835 gültig und auch 2016 – in Nürnberg: betroffenes Schweigen und dann Dankesjubel für alle Beteiligten.                                       

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