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Lauda - Uraufführung am 14. November 2014 in der Kirche St. Michael, Choreographie: Simone Sandroni/Norbert Graf, Musik: Gavin Bryars, Sopran: Orlanda Bryars. Foto: Franz Kimmel
Lauda - Uraufführung am 14. November 2014 in der Kirche St. Michael, Choreographie: Simone Sandroni/Norbert Graf, Musik: Gavin Bryars, Sopran: Orlanda Bryars. Foto: Franz Kimmel
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Eher Erinnerung als Wiederbelebung – Gavin Bryars „Lauda“ in Münchens St.Michaelskirche uraufgeführt

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Nicht immer war die katholische Kirche „unterhaltungsfeindlich“. Schon in den großen Auseinandersetzungen des 12.Jahrhunderts zwischen Papst und Kaiser, den ersten Armutsorden und –bewegungen, erst recht im Zuge der Gegenreformation wurde für den Kirchenbesuch öffentlich „geworben“: mit Musik, Tanz, Gesang vor der Kirche, wo „laudesi“ die Menschen zum Kirchenbesuch anlocken und animieren wollten.

Diese „multi-mediale“ künstlerische Betätigung entdeckte der englische Komponist Gavin Bryars in einer Manuskriptsammlung des 12. Jahrhumnderts aus dem toskanischen Cortona, bearbeitete und vertonte sie neu. Über vielfältige Kontakte kam es zum Zusammenwirken mit der Junior Company des Bayerischen Staatsballetts und dem Jesuitenorden München. Man erinnerte sich der Phase des „Jesuitentheaters“, der Theatergeschichte machenden Aufführung von Jacob Bidermanns „Cenodoxus“ vor der theatralischen Barock-Fassade der Münchner St.Michaelskirche … Endergebnis: Uraufführung von 8 „Lauda“ mit Orlanda Bryars (Sopran), dem vierköpfigen Bryars Ensemble und den 15 Tänzerinnen und Tänzern der Junior Company in der Kirche selbst.

Dazu war in Bodenhöhe des Hochaltars ein Tanz-Podium errichtet. Sopran, Viola, Cello, E-Gitarre und Contrabass klangen neben dem linken Seitenaltar mikrofon-verstärkt in den Kirchenraum hinein. Im zunächst stark abgedunkelten Kirchenraum tönte dann das „Venite a laudare – per amor cantare - l’amorosa vergene Maria“ des Soprans wie eine spirituelle Aufforderung aus dem Jenseits. Dann zogen Orlanda Bryars singend und die Tänzer mit Kerzen durch den Mittelgang schreitend wie eine klassische „Intrata“ zum Podium. Eine Stunde folgte lang Anmutiges, Dekoratives – und im Endergebnis leider aber auch nur austauschbar Beliebiges. Denn natürlich wissen wir trotz aller Originalklang-Studien wenig über die Instrumente solch volkstümlicher „Lauda“-Musik im 12.Jahrhundert. Doch auch wenn man die E-Gitarre der typisch englischen Haltung „keine E- gegenüber U-Musik-Grenzen“ zu gute hält: Bryars hat einen allzu gefälligen „Soft-Sound“ komponiert, der in jeden Salon des Jahres 1900 passen würde. Von „Marien-Hymnus“, Jenseitshoffen gegen Todesangst, auftrumpfender Glaubensgewissheit oder Dreieinigkeitsjubel keine hörbar ausdifferenzierten Klangspuren, wobei auch fraglich blieb, ob der in der Mittellage hübsche, aber ansonsten eher bemühte Sopran von Orlanda Bryars dazu in der Lage wäre.

Prompt blieben auch die Choreographien von Norbert Graf und Simone Sandroni im Bereich „sehr gefällig“. Zu sehen war, dass die ja bereits ausgebildeten, kurz vor einem Engagement in einer großen Ballettkompagnie stehenden „Junioren“ alles können. Doch alles Schreiten, Rennen, Drehen, Heben, Verschlingen und Lösen könnte auch in einen Abend mit dem Titel „Paare, Passanten, Einsamkeit und Trubel“ passen. In dieser Form beschworen die „Lauda“ weder die Glaubenswelt oder Erlösungshoffnung des kurzen, harten Lebens im Mittelalter noch die frühbarocke gegenreformatorische Glaubensattacke gegen alles „Protestantische“ oder die jenseitige Lebensverheißung inmitten von Hunger, Krieg und Pest. Für Freunde der Alten Musik erwuchs höchstens der Anstoß, sich mit der Rarität „Lauda“ doch einmal näher zu befassen.

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