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v. l. Ki-Hyun Park, Vanessa Waldhart, Michael Zehe, Romelia Lichtenstein, Andreas Beinhauer, Chulhyun Kim, Chor der Oper Halle. Foto: © Anna Kolata

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Ein Friseur in Ha-Neu – Rossinis „Barbier von Sevilla“ an der Oper Halle

Vorspann / Teaser

An der Oper in Halle findet sich Rossinis „Barbier von Sevilla“ in einer Plattenbausiedlung und den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder. Oder auch nicht.

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Wenn sich der Barbier von Sevilla mit all seinen haupt- und nebenberuflichen Fähigkeiten mit wendiger Stimme selbst anpreisen darf, dann hat sich ein Opernhaus entschlossen, einen bewährten Selbstläufer auf die Bühne zu bringen. Eine Extraportion von musikalischem und szenischem Vergnügen aus einer Zeit, in der Oper ganz unverdruckst auch der puren Unterhaltung diente. 

Vor zwei Jahren konnte man im benachbarten Dessau bestaunen, mit wie wenig szenischem Verkleidungsaufwand man diesen Repertoire-Dauerbrenner von Gioacchino Rossini (1792-1868) aus dem Jahr 1816 zu einer kultverdächtigen Sensation machen kann, wenn man direkt auf den Komödienkern zusteuert und das Stück nimmt wie es ist. Und, wenn man musikalischen Prosecco aus dem Graben und den Kehlen perlen lässt. 

Dem etwas seltsamen Champagner-Spielzeitmotto der Oper Halle folgend, nehmen Louisa Proske (Regie) und Gideon Davey (Ausstattung) mit ihrem Barbier Kurs auf die Gegenwart, landen so ungefähr vor und in einer großzügigen Halle-Neustädter „Platte“. Bei einem mittelalten und älteren Publikum kommt es meistens ganz gut an, wenn es auf der Bühne den Geschmacksentgleisungen bei Mode und Einrichtung aus der eigenen Jugend begegnet, um aus der Rückschau darüber zu lachen.

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Wenn sich nach der von José Miguel Esandi mit der Staatskapelle beherzt präsentierten Ouvertüre der Vorhang hebt, dann findet sich der wacker mitspielende, von Frank Flade einstudierte Opernchor als Kapelle bei einem Pyjamaständchen vor einer zweistöckigen Plattenbaufassade mit Balkonen wieder. Flankiert von Herren in verdächtig unauffälligem Zivil, die das Ganze organisiert haben und honorieren. Der Tenor für den das als Begleitung gedacht ist, irritiert etwas, weil er in einem Look erscheint, der zunächst an den obersten Nordkoreaner erinnert. Chulhyun Kim steigt aber im Laufe des Abends auf eine Uniformierung um, die an die sowjetrussische Vorliebe für Orden erinnert. Außer natürlich, wenn er sich als Gesangslehrer an den Teenager Rosina heranmachen und damit deren Vormund Dr. Bartolo austricksen will. 

Im Programmheftinterview klärt die Regisseurin auf, dass das, was als schräger Halle-Neustadt-Abklatsch daherkommt, ein erfundener imaginärer sowjetischer Satellitenstaat mit totalitärem Herrschaftssystem inklusive Überwachung und Personenkult sein soll. Mit dem Grafen (respektive Genossen) Almaviva als Staatsoberhaupt, das inkognito unter den schönen und kessen Töchtern des Landes wildert. Seltsamerweise wird der dabei von einem smarten Friseur unterstützt, der sich in der Beziehung offensichtlich auskennt. Der tritt mit zwei Minirock-Schönheiten im Arm auf und lässt sich auf dem Balkon im Parterre von den beiden Grazien nur allzu gerne begrapschen. Da ihn seine aktuelle Flamme gerade rausgeschmissen und seine Klamotten unter der Laterne deponiert hat, hat er jedenfalls Zeit, sich um die Beziehungsanbahnung dieses merkwürdigen Grafen oder Spitzengenossen zu kümmern.

Die Tristesse der Platte und der Aufzug der Straßenmusikanten sind vielleicht tief gedacht, aber an der Oberfläche eine komödiantische Vollbremsung. Die zwei-etagige Plattenbauwohnung auf der Rückseite (in Halle-Neustadt gibt es die ja tatsächlich) ist mit ihrer Dejavue-Möblierung und der großornamentigen Tapete zumindest ein opulenter Rahmen. Aber auch hier wird das Treppauf-Treppab, Türauf-Türzu nicht wirklich zu einem Feuerwerk. Man muss Romelia Lichtenstein dankbar sein, dass sie als dauerrauchende, als-ob-putzende und in der Küche werkelnde Haushaltshilfe Berta nach Kräften die Komödie verteidigt (und ihre Arie obendrein mit mustergültiger Rossini-Geschmeidigkeit serviert). Aber ein Trupp Soldaten (die noch dazu an Russen erinnern) in der Wohnung? Staatschefbilder an der Wand? Eine Handgranate unterm Sofakissen? Und bei jeder Gelegenheit mit den Straßenschuhen über und auf der Sitzlandschaft? Das ist schon ein seltsamer Retro-Humor. 

Seltsamer Retro-Humor

Manchmal befreien sich die Protagonisten aus dem Korsett des ihnen verpassten (sorry wegen des Neudeutschs) Narrativs. So, wenn sie fürs Aktfinale an die Rampe kommen. Und sich voll auf Rossinis Verführungskraft einlassen. Ansonsten ist Andreas Beinhauer der in jeder Hinsicht unbeirrbare Figaro und Michael Zehe ein geschmeidig schmieriger Don Basilio. Als Rosina beeindruckt Vanessa Waldhart vor allem mit ihren Koloraturen, die sie meistens auch direkt von der Rampe in den Saal kullern lassen darf. Chulhyun Kim als Graf (oder was auch immer) klingt oft nach zu viel Überdruck und Ki-Hyun Park schickt sich in die Rolle des etwas altersdepperten Don Bartolo. Allesamt kämpfen wacker darum, nicht über Rossinis Parlandotücken zu stolpern. Wenn es gelingt, dann macht es auch Spaß zuzuhören. Selbst wenn man sich den Part der Staatskapelle etwas leichtfüßiger und weniger donnernd vorstellen könnte 

Das Premierenpublikum im ausverkauften Haus wollte sich jedenfalls amüsieren. Einem lautstark applaudierendem Teil gelang das auch. 

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