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Schülerinnen der Kantonsschule Alpenquai tanzen „Le Sacre du Printemps“. Foto: Priska Ketterer
Schülerinnen der Kantonsschule Alpenquai tanzen „Le Sacre du Printemps“. Foto: Priska Ketterer
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Ein Schlagzeugkonzert als Klangstrom, le Sacre am See

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Die Projekte „rundum“ und „MaSacre!“ beim Lucerne Festival im Sommer 2008
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Zwölf junge Schlagzeuger, allesamt klassisch geschult, doch mit bisher wenig Improvisations-Erfahrung. Gemeinsam mit dem Schweizer Perkussionisten Fritz Hauser ist die im Sommer 2005 gegründete „LUCERNE FESTIVAL Percussion Group“ nun angetreten, dies zu ändern: In einer langen Probenwoche hat sie ihre Wahrnehmung sensibilisiert für den Gesamtklang eines Kollektivs und für das kreative Spiel des Gegenübers. Sie konnte ihre kommunikativen Fähigkeiten schulen und erleben, wie viel Miteinander und Individualität möglich sind.

Hauser, selber ein Meister in der Kunst, perkussive Klangfelder aus dem Nichts entstehen und in nachdrücklichen fade outs entschwinden zu lassen, schwebte für sein Improvisations-Projekt „ein Schlagzeugkonzert ohne Rhythmus und Puls“ vor, eine Art „zeitloser Klangstrom“. Realisiert hat er diese Vision im Saal des Luzerner Theaters „La Fourmi“, das er am 23. und 24. August für vier Konzerte in ein begehbares Instrumentarium verwandelte: Das Publikum saß mitten im akustischen Geschehen auf zwei einander gegenüberstehenden Stuhlreihen, dazwischen und dahinter agierten die zwölf Musiker. Sie kreierten äußerst subtil und erfindungsreich amorphe, kaum lokalisierbare Klänge und variierten die Klangtiefe in minutiösen Abstufungen auf einem umfangreichen Arsenal von Schlaginstrumenten.

Traditionelle Aufgaben des Schlag-Instrumentariums, etwa wie bisher für rhythmische Durchstrukturierung oder Akzente zu sorgen, entfielen somit – „es geht darum, einen Klangzustand zu produzieren, der sich möglichst langsam und atmend mit dem Raum, mit den Menschen verändert, in den man hineinhorchen kann und der einen umhüllt, der einen langsam irgendwohin wegträgt und vielleicht wieder zurückbringt“, erläutert Fritz Hauser das Konzept. „Wir malen ein Bild ohne Motivik, nur mit der Farbtiefe“, das nach seiner Vorstellung als kollektive Leistung „ein bisschen wie ein Sprungtuch ist, das man mit zwölf Menschen ausspannt. Das muss einfach halten. Es muss auch halten, wenn etwas Größeres runterfällt, und jeder muss verstehen, was er da tut. Wenn einer loslässt, dann bricht es zusammen.

Und wenn einer zu fest zieht, dann stolpert der auf der anderen Seite“.
Im Luzerner „Théâtre La Fourmi“ ist diese improvisierte Ensembleleistung über eine Dreiviertelstunde auf beeindruckende Weise gelungen. In ihrer fragilen Klarheit berührend waren die Klänge, die aus allen Richtungen ein- und ausschwangen und den Hörer tatsächlich „rundum“ einhüllten inklusive Vibrationen, die sich bis auf den Boden übertrugen und physisch erfahrbar waren. Weshalb „rundum“ mit seinen durch alle Poren dringenden Klängen für Fritz Hauser auch „eine Art natürlicher Kopfhörer“ ist. Intensiviert und eingebunden war dieses singuläre Klang- und Raumerlebnis, das die eigene Wahrnehmung ins Zentrum stellte und die Grenze zwischen Publikum und Interpret aufhob, durch ein klug abgestimmtes Lichtkonzept von Brigitte Dubach.

Einen ganz anderen Weg beschritt Fritz Hauser in dem Schul-Workshop „MaSacre!“ innerhalb der Reihe „Children‘s Corner“, gemeinsam mit dem deutschen Choreographen und Regisseur Joachim Schloemer, dem diesjährigen „artiste étoile“ des Lucerne Festival und langjährigen Tanzchef in Basel. Aus der 5. und 6. Klasse der Kantonschule Luzern hatten sich 29 Schülerinnen und ein Schüler eingefunden, um sich über Bewegung und Rhythmik dem Schlüsselwerk dieses Festival-Sommers, Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“, anzunähern. Individuum versus Gruppe, aber auch der elementare Prozess des Frühlingserwachens waren die Themenkreise für die in rund zehn Tagen erarbeitete künstlerische Performance. Die Identifikation wie Abgrenzung der einzelnen Gruppen verlief hier über markante Rhythmen, die in der Strenge ihres Vollzugs an Rituale erinnerten. Mit imposanten Bambusstöcken wurden Akzente gesetzt, Rhythmen gestampft oder Kreise gezogen, die naturhafte Reibegeräusche verursachten. Im Vordergrund stand also die Strukturierung durch rhythmische Muster, auf die Joachim Schloemer mit klaren Bewegungsfiguren und einer Separierung und Zusammenführung der Schülergruppen reagierte. Die Jugendlichen, dramatisch rot geschminkt die Gesichter, füllten bei ihrer theatralischen Aktion den Europaplatz am Vierwaldstädter See vor dem Luzerner KKL mit pulsierender Energie. Das Publikum begleitete die halbstündige Performance mit gespannter Aufmerksamkeit und bewunderndem Applaus.

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