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Ohne Titel Nr. 1 // Eine Oper von Herbert Fritsch. Foto: Volksbühne, T. Aurin
Ohne Titel Nr. 1 // Eine Oper von Herbert Fritsch. Foto: Volksbühne, T. Aurin
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Eine Oper ist eine Oper, ist eine Oper … – Herbert Fritsch mit einem neuen Stück an der Volksbühne in Berlin

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Auf dem Programm steht: „Ohne Titel Nr. 1“. Die Angabe zur Stückdauer: 77 Minuten. Und dessen Inhalt? Der Besetzungszettel mit allem drum und dran, dreißig leere Seiten und am Ende ein paar Sätze über den Zuschauer. Dazu gibt es einen gut gespitzten Bleistift. Das hört sich nicht nur so an, als ob ein Herbert Fritsch dahinter stecken würde. Es ist natürlich auch so. Diesmal nicht nur wie gewöhnlich als Regisseur und Bühnenbildner, sondern auch noch als Autor. Und zwar als der einer „Oper“ – so behauptet jedenfalls das Beinahe-Programmheft.

Beim Multitalent wundert man sich nicht, dass hinter der Rubrik Musik, neben Ingo Günther, auch noch sein Name steht. Nach der dann doch gut anderthalb Stunden währenden Volksbühnen-Gaudi kann man ohne weiteres das „Ohne Titel“ und den typischen Fritsch bestätigen. In Sachen Oper müsste man den Gattungsbegriff schon sehr weit auslegen. Immerhin produzieren Ingo Günther, Fabrizio Tentoni und Michael Rowalska als „Herbert-Fritsch-Opernrochester“ originelle Töne, die mal auf einzelteiligen Witz und Parodie, mal auf vokalisenaffine Melodieschnipsel und in den besten Momenten auf elektrisierenden Rhythmus setzen. Auch die Kostüme, die Victoria Behr aus der bewährten, bunt stilisierten Fritsch-Klamottenkiste beisteuert, lassen sich ebenso wie das XXL Sofa auf der Bühne vor dem fröhlich die Farben wechselnden Rundhorizont durchaus einem Gesamtkunstwerk zuordnen. Und doch fehlt irgendwie die verbindende Idee, die das Zeigen der Instrumente zu einem zündenden Ganzen macht.  

Die ästhetische Handschrift, die der Ex-Volksbühnen-Schauspieler in seiner zweiten Karriere als Schöpfer einer landesweit begehrten Regie-Marke etabliert hat, prägt ja mittlerweile, neben der des Hausherren Frank Castorf, die Ästhetik der Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz. Dabei sind sein kultiges Einwortstück  „Murmel, Murmel“, aber auch die „Spanische Fliege“ und zuletzt natürlich Paul Linkes „Frau Luna“ alle auf ihre Weise musikalisch. Haben einen Sound. Im Falle des Komponisten der Berliner Luft, ziemlich dicht am überlieferten Vorbild entlang. Auch mit dem Musiktheater plagen den Umtriebigen keinerlei Berührungsängste, was er in Bremen mit Offenbachs „Banditen“ ebenso bewiesen hat wie in Zürich mit den „Drei Schwestern“ von Peter Eötvös. Mag gut sein, dass Fritsch jetzt jener Empfehlung folgen wollte, die nörgelnde Kritiker manchmal für besonders kreative Regisseure bei der Hand haben, sich doch selbst ein Stück zu machen, wenn ihm die überlieferten Vorlagen zu verbesserungswürdig vorkommen.

Doch das ist ihm mit seiner kultigen „Murmel-Murmel“ Variante bereits auf eine Weise gelungen, die schlechterdings nicht zu überbieten ist. Mit dem, was er jetzt auf eigene Autorenrechnung abgeliefert hat, kommt er daran jedenfalls nicht annähernd heran. Wo man sich beim Murmeln vor Lachen biegen konnte und das Publikum bei der Applaus-Ordnung unisono zurück murmelte, bleibt es diesmal beim Schmunzeln über die darstellerische Virtuosität seines fröhlichen Dutzends. Wenn ihnen die Töne in die Glieder fahren. Wenn sie plötzlich voreinander erschrecken. Oder wenn der Dirigent die ganze Truppe mit einer Kurbel nach links oder nach rechts verbiegt wie Schilf im Wind. Wenn sie immer wieder an der Rampe in einem Fritsch-Kauderwelsch monologisieren. Wenn ein Solo aus versetzten Winden hinlegt wird, oder sich eine Damen-Zunge auf atemberaubende Weise wie eine Schlange verselbstständigt. Oder wenn eine Darstellerin immer wieder im hohen Bogen von hinten auf das Sofa geschleudert wird. Wenn sich dann am Ende allesamt auf dem Sofa ihre Kleider wenden dann endet der Abend in einem melancholischen Goldbraun. 

Schade, aber es diesmal höchstens ein Fritsch für Anfänger geworden. Vielleicht ist die „Nr. 1“ im Titel ja nicht so ernst gemeint. Es gibt so viele Schauspiel-, Opern- oder Operetten-Vorlagen, die noch darauf warten, durch die Fritsch-Mühle gedreht werden. Und dann immer alle irgendwie als eine „Oper von Herbert Fritsch“ enden. Da braucht man dann den neuen Abend an der Volksbühne gar nicht. Vielleicht hat der Meister das ja gemeint, als er zur Applausordnung mit einem riesigen Brett vorm Kopf erschien?

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