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Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Juliane Banse (Ellice Staverton), Holger Falk (Osbert Brydon) und Statisterie. Foto: © Wolf Silveri

Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Juliane Banse (Ellice Staverton), Holger Falk (Osbert Brydon) und Statisterie. Foto: © Wolf Silveri

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Eine Reise zu sich selbst – Manfred Trojahns Kammeroper „Septembersonate“ in Düsseldorf uraufgeführt

Vorspann / Teaser

An diesem Uraufführungsabend im Opernhaus Düsseldorf muss man immer mal an die Stimmung später Kompositionen von Richard Strauss denken. Nicht nur, wenn es am Ende aus dem Graben unverkennbar auch so klingt. Wobei dessen heutiger Komponistenkollege Manfred Trojahn noch weit entfernt ist von irgendwelchen Anwandlungen letzter Sonaten oder Lieder. Mit der „Septembersonate“ resümiert er aber gleichwohl auch Persönliches.

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Dass der Monat September noch viele schöne Tage und Lichtmomente bietet, war durchaus ein Motiv für Trojahn, seine achte Oper, zu der er auch das Libretto selbst verfasst hat, so zu nennen. Als Anregung diente ihm die Erzählung „The Jolly Corner“ von Henry James (1843-1916). Zumindest die Struktur dieser Novelle aus dem Jahre 1908 scheint in dem Libretto durch. Autobiographisches ist dort wie hier in den männlichen Protagonisten eingegangen.

In der Oper ist es Osbert Brydon, der sich auf eine äußere, vor allem aber auf eine innere Reise begibt. Die äußere führt ihn nach drei Jahrzehnten in Europa, wo er zum erfolgreichen Schriftsteller wurde, zurück in die Heimat seiner Kindheit nach Amerika, um dort sein Erbe anzutreten. Als junger Mann war er vor der Profitgier der eigenen Familie, der er als Versager galt, und seiner dortigen Lebensperspektive inklusive seiner Kindergarten-Liebe Ellice Staverton geflohen, um ein anderes, sein Leben zu leben. Jetzt nimmt er das Haus seiner Kindheit in Besitz und begegnet Ellice wieder. Dass die Initialen der beiden O und E, die der des Paares in Trojahns Oper „Eurydice – Die Liebenden, blind,“ die 2022 in Amsterdam uraufgeführt wurde, sind, ist vielleicht ein hübscher Streich des Künstler-Unterbewussten. Oder auch nicht.

In der hochartifiziellen Inszenierung von Johannes Erath zu der Heike Scheele die Ausstattung schuf, sieht man zu wummernden Herzschlagtönen den Reisenden in Hut und Mantel mit dem Koffer in der Hand ankommen, um ihn dann in einer aufzoomenden Rückenansicht mit der mechanischen Schreibmaschine eine entsprechende Tonspur tippen zu hören.

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Die Wiederbegegnung von Osbert und Ellice liefert das äußere Gerüst für die sechs Bilder der Reise zu sich selbst. Vor allem zu der Kernfrage, was aus ihm in dem anderen Leben hätte werden können, in dem dann vielleicht auch Ellice eine Rolle gespielt hätte. In Anlehnung an das Genre kontrafaktischer Geschichtsschreibung umkreist Osbert seine eigene Biografie. Das ist nicht ganz so spannend und verblüffend wie ein anderer Geschichtsverlauf (etwa in Robert Harris’ „Vaterland“). Es ist viel intimer, privater. In dem fast durchweg melancholischen Parlando ist die Konfrontation mit dem eigenen Alter-Ego ein Ausbruch, bei dem das Künstler-Ich seine bewusste Ichbezogenheit vorgeworfen bekommt und der wiederum seinem anderen Ich die Gier nach dem „immer mehr“ vorwirft. 

Ein zweiter Ausbruch aus der Innenschau ist die handfeste Begegnung mit Ellice in einem angedeuteten Theatergarderobenambiente, die in ihrem Scheitern auch nur verdeutlicht, dass jedes Leben nur einmal zu leben ist. 

Musikalisch dominiert das Parlando, das von den Instrumentengruppen, die ein 15-köpfiges Ensemble im Graben mit Präzision und Hingabe unter der Leitung des designierten Chefdirigenten der Deutschen Oper am Rhein Vitali Alekseenok zelebriert, gleichsam umspült wird. Manchmal am Rande der Wahrnehmbarkeit. Immer wieder durch Pausen der Besinnung, in denen nur die wummernden Herzschläge zu hören sind, unterbrochen. Trojahn hat keine Scheu davor, im Namen einer vermeintlich modernen Radikalität, nicht auch Passagen von Wohlklang einzuflechten. Vor allem der geschmeidig parlierende Holger Falk als Osbert, aber auch Julia Banse als intensiv attraktive Ellice nehmen das bereitwillig an. Anfangs noch etwas vom Orchester in dem für eine Kammeroper doch recht großen Haus überdeckt, sind sie schnell frei dabei, ihr erhebliches Textvolumen geschmeidig zu stemmen. Schade nur, dass Roman Hoza als Osbert II erst recht spät auch vokal zum Zuge kommt. Susan Maclean nutzt jede Chance sich prägnant als Hüterin des nunmehr leeren, ererbten Hauses zu profilieren. Das Orchester besteht neben dem Bläserquintett, Klavier mit Celesta, Harfe und Schlagwerk aus sieben Streichinstrumenten – da jedoch bewusst ohne (Jugend evozierende) Geigen, sondern nur Bratschen, Celli und Kontrabass. 

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Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Holger Falk (Osbert Brydon), Statisterie. Foto: © Wolf Silveri

Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Holger Falk (Osbert Brydon), Statisterie. Foto: © Wolf Silveri

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Erath, Scheele, aber auch Nicol Hungsberg (Licht) und Bibi Abel (Video) haben ein Händchen für die gespenstische Atmosphäre, die von Herny James via Trojahn zu uns herüber weht. Man ertappt sich bei dem Gedanken, dass sich in dieser Ästhetik auch „The Turn of the Screw“ szenisch umsetzen ließe. Wunderbar der Wechsel vom Video mit den verhängten Möbeln in die dreidimensionale Bühne hinter der Projektionsleinwand. Grandios die beweglichen Treppenhaus-Versatzstücke die wie in einem Escher-Setting faszinieren. 

Am Ende reitet Erath der pure Schalk. Da siehst man im Video ein Ehepaar das (immer wieder verlängerte) Ende der Vorstellung miterleben, deren Gegenstand sie gerade waren, als Zuschauer. Als ein Paar, wie es möglicherweise geworden wäre, wenn Osbert geblieben wäre. Ganz heutig. Normal-banal, aber durchaus sympathisch. Wenn die beiden längst das Opernhaus verlassen haben und die Putzfrau die Tür hinter ihnen verschlossen hat, taucht noch einmal eine Figur aus der Vergangenheit aus der Versenkung auf und fügt dem „Ende“ auf dem Video mit der Schreibmaschine noch einen Punkt hinzu.

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Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Susan Maclean (Mrs. Muldoon). Foto: © Wolf Silveri

Manfred Trojahn: Septembersonate an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. Auf dem Bild: Susan Maclean (Mrs. Muldoon). Foto: © Wolf Silveri

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Und dann ist wirklich Schluss mit der Selbsterforschung auf der Bühne und die Zuschauer haben jetzt den Schwarzen Peter. Sagen wir mal so: all die, die den Monolog der Marschallin über die Zeit im „Rosenkavalier“ für ein geniales Stück halten, zu dem sie sagen: Genauso ist es, werden damit was anfangen können. Die anderen warten vielleicht noch ein bisschen und kommen später darauf zurück. 

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