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Erlebnisraum abseits gewohnter Konzertformate

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Das Festival Parkmusik – Neue Ho(e)rizonte mit Werken von Giacinto Scelsi und Iris ter Schiphorst
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Zum 17. Mal nun veranstaltete Sigune von Osten die Parkmusik – ein kleines und erlesenes Festival, das immer am letzten Augustwochenende auf dem Trombacher Hof bei Bad Kreuznach zu erleben ist. An zwei Tagen gibt es neben den Konzerten einige feste Programmpunkte, auf die man sich auch als regelmäßiger Parkmusikbesucher jedes Jahr aufs Neue freut: Dazu gehören die Klangwanderung durch die atemberaubend schöne, scheinbar unberührte Trombach-Aue, die Begegnung mit Ensembles aus aller Welt, exotische Instrumente, die man nur äußerst selten live erleben kann, hervorragende Interpreten und Ensembles für zeitgenössische Musik, mit denen man beim inzwischen traditionellen Picknick im Grünen ins Gespräch kommen kann.

Es ist diese Intimität, die Unverkrampftheit in der Begegnung mit ungewohnten und ungewöhnlichen Klängen, die dieses Festival besonders machen und die von einem Publikum geschätzt wird, das gerade nicht überwiegend aus spezialisierten Fachleuten besteht. Man spürt dies während der Konzerte, in denen man noch spontan geäußertes Staunen hört, wo das Publikum gespannt und äußerst konzentriert bei der Sache ist, ohne zwanghaftes Husten oder Programmheftgeraschel. Die ungeplanten, aber nicht unwillkommenen Nebengeräusche kommen hier aus der Umgebung: von Wasser, Wind, Insekten, Waldvögeln oder weit entfernten Flugzeugmotoren. Und darum geht es Sigune von Osten – selbst Sängerin und international renommierte Interpretin zeitgenössischer Musik – sie möchte Neue Musik vermitteln, indem sie mit den örtlichen Gegebenheiten des ehemaligen Trombacher Klostergutes mit seiner 600 Jahre alten Kapelle einen Erlebnisraum schafft, der die Besucher abseits von den sonst gewohnten Konzertformaten neugierig macht und ihre Ohren öffnet – ihnen neue Ho(e)rizonte erschließt.

Der erste Festivaltag war dem 1988 verstorbenen Giacinto Scelsi gewidmet, dessen Werke im ersten der beiden Konzerte traditioneller Festmusik aus Myanmar (Burma) gegenübergestellt wurde. Das burmesische Ensemble ist benannt nach dem Hauptinstrument Hsaing (burmesisch = hängen) Waing (= der Kreis), welches aus 20 gestimmten Trommeln besteht. Sie sind kreisförmig angeordnet und hängen an einem aus kunstvoll verzierten Schnitzereien bestehenden vergoldeten  Rahmen, der an einen Zaun erinnert und in dessen Mitte der Spieler sitzt. Auch die anderen Instrumentalisten (Gong, Oboe/ Flöte) befinden sich jeweils inmitten einer dieser prachtvoll anzusehenden Einzäunungen, wobei deren Kreisform nicht nur funktional sondern auch symbolisch zu deuten ist. Die Instrumente sind pentatonisch, diatonisch und im Falle des 37 Buckelgongs umfassenden Gongspiels auch chromatisch gestimmt.

Die Musik ist vielseitig gestaltet mit langen melismatischen Melodielinien und wechselt zwischen eher freien und streng rhythmischen, tänzerisch anmutenden Teilen. Virtuos sind die komplexen unisono dargebotenen Passagen, parallel dazu von den Instrumentalisten auch noch a cappella gesungen, die ihren besonderen klanglichen Reiz durch die dabei entstehenden mikrotonalen Schwebungen entwickeln. Einen besonderen Höhepunkt boten die spontanen Tanzeinlagen des Zimbel-Spielers, der als der berühmteste und populärste Interpret traditionellen burmesischen Tanzes in seiner Heimat vorgestellt wurde.

Gegenüber dieser überwiegend Fröhlichkeit ausstrahlenden asiatischen Festmusik wirkten die westlichen Kammermusikstücke Scelsis akademisch streng. Dennoch zeigten sich gerade in der unmittelbaren Aufeinanderfolge die Schnittmengen beider Musiken. Scelsi beschränkt sich auf wenige Tonhöhen, die er mikrotonal umkreist und in ihrer Wiederholung in allen Facetten auslotet. Besonders das Abendkonzert, bei dem ausschließlich Werke des 1988 verstorbenen italienischen Komponisten zu hören waren, präsentierte die ganze Bandbreite seines Schaffens. Der dichtende Scelsi mit seiner bildstarken surrealistischen Lyrik (eindrucksvoll gelesen von Paul Méfano, der als Dirigent Scelsis Werke aufgeführt und mit ihm gearbeitet hat) und der private Scelsi mit seinen bewegenden Briefen an Sigune von Osten (von ihr selbst gelesen im lebendigen Wechsel mit Méfano), für die er im Laufe der Zusammenarbeit viele Kompositionen geschrieben hat, kamen zu Wort.

Den ganz entscheidenden Beitrag, der dem Publikum einen Einblick in das vielschichtige Werk dieser Künstlerpersönlichkeit ermöglichte, leisteten die hervorragenden jungen Musikerinnen und Musiker des Mannheimer Schlagwerk & Strings unter der Leitung von Dennis Kuhn - geradezu hypnotische Wirkung erzeugte deren Interpretation von Scelsis „Riti“ für Cello und Schlagzeug. Auch der von der Festivalleiterin sehr ergreifend präsentierte Klagegesang „Olehö“ („for Sigune with admiration and love“ ), bei dem sie sich selbst mit zwei Tempelgongs begleitete, hatten wie viele der Werke Scelsis etwas Rohes, Ungeschliffenes und zugleich sehr Energetisches – ebenso wie der unbehauene, rohe Fels der Kapelle, der den Musikern als Bühne diente. Auf diese Weise entstand während des Konzertes eine spirituelle Grundstimmung, die vom anwesenden Publikum äußerst positiv aufgenommen wurde, die jedoch bis heute die Kritiker Scelsis auf den Plan ruft.

Der zweite Festivaltag bezog sich ganz auf die auch anwesende Komponistin der jüngeren Generation Iris ter Schiphorst. In drei Konzerten bekam man Einblick in die Vielseitigkeit ihres Schaffens: Angefangen von sehr frühen Arbeiten wie „Eden Cinema“, für präpariertes Klavier und Sampler (hervorragend gespielt von Chistoph Grund), über live-elektronische Kompositionen für Violine und Synthesizer, bis zu Filmmusik. Iris ter Schiphorst führte die Zuhörer in sehr anschaulicher und charmanter Weise in ihre Kompositionen ein. So erfuhr man beispielsweise über die „Ballade für einen Bulldozer“, dass die live-elektronisch eingesetzten Klänge tatsächlich von einem Bulldozer stammen, der ihr während eines Urlaubs in den Bergen akustisch fürchterlich auf die Nerven gegangen war, bevor sie ihren Ärger darüber kompositorisch transformiert hatte.

Auch die während der Klangwanderung in der Trombach-Aue zu hörenden Werke bezogen sich biografisch oder künstlerisch auf die „Komponistin vor Ort“. Zugleich waren die Stücke sehr passend für die Plein-Air-Präsentation ausgewählt – das Publikum wanderte durch hohes Gras zu den verschiedenen Stationen der Interpreten, die sehr idyllisch zwischen Bäumen, am Bach oder halb versteckt im Dickicht zu hören waren. Man lauschte unter anderem „Pan“ (von Dieter Schnebel), „Waldschrats Tagewerk“ (Steffen Schleiermacher), „Das Gras wie es wächst“ (Peter Hoch), Bach (Johann Sebastian) und der „Kleemusik“ von Helmut Oehring, die sich jedoch, wie Andreas Winkler (Violine) richtigstellte, nicht auf die Pflanze, sondern auf die filigranen Zeichnungen des gleichnamigen Malers beziehen.

Eine wirkliche Entdeckung ist der junge Trompeter Paul Hübner, der während des gesamten Festivals nicht nur vielfach solistisch auftrat, sondern auch als talentierter Performer auffiel: In seiner Komposition für Doublebell-Trompete und mp3-Player erzeugte er gurgelnde Klänge mit einem der Schallbecher im Trombach und Robin Hoffmanns beatboxartige „Birkhanstudie“ interpretierte er virtuos mit einer Birkhanpfeife. Darüber hinaus war er auch neben Andreas Winkler in das pädagogische Begleitprogramm eingebunden: Im Vorfeld des Festivals wurden im nahegelegenen Lina-Hilger-Gymnasium Bad Kreuznach unter der Leitung der beiden Interpreten mit Schülerinnen und Schülern Stücke von Iris ter Schiphorst einstudiert – auf diese Weise wurde mit dem Stück „Kinderrästel“ für Schulorchester die Parkmusik 2013 zukunftsweisend beschlossen, verbunden mit der Hoffnung auf die Vermittlung neuer Ho(e)rizonte an die ganz junge Generation.

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