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Tannhäuser . Premiere 17.03.2018 // Opernchor. Foto: © Tom Schulze
Tannhäuser . Premiere 17.03.2018 // Opernchor. Foto: © Tom Schulze
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Euro-„Tannhäuser“ nun auch in Leipzig oder: Der Venusberg steht Kopf

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Geplant war ein Original von Katharina Wagner, gekommen ist eine Kopie von Calixto Bieito. Das sorgte – trotz blassen Klangs – für Grabenkämpfe beim Publikum. So ratlos ging man selten in die Pausen. Mehr unentschieden denn zerrissen verließ man kaum je ein Haus. „Tannhäuser“ in Leipzig, eine Neuproduktion von Katharina Wagner war vorgesehen und wurde beizeiten „aus organisatorischen Gründen“ abgesagt. Was hätte die Urenkelin des Komponisten in dessen Geburtsstadt aus dem „Sängerkrieg auf Wartburg“ wohl gemacht? Wir wissen es nicht – und sahen statt dessen die Übernahme der 2015/16 in Gent/Antwerpen herausgekommenen Produktion des Katalanen Calixto Bieito, die nun – nach weiteren Stationen in Venedig und Bern – ihre Deutschland-Premiere beging

Nichts gegen europäische Austauschgeschäfte, aber warum musste just ein mindestens emotional, wenn nicht erotisch aufgeladenes Werk wie der „Tannhäuser“ damit so austauschbar sein? Das musikalische Spektrum pendelte sich auf ein kräftiges Mezzoforte ein, was nahe- oder gar unter die Haut gehende Ausbrüche von vornherein als Möglichkeit ausschloss. Dabei hat das Gewandhausorchester unter dem Opernintendanten und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer auf durchaus angemessenem Niveau musiziert – solide, aber blass, eben nicht glänzend.

Gediegenes Handwerk

Schon im Vorspiel, bei dem wir uns mitten im Venusberg wähnen dürfen, im Zentrum der Lust, fehlt jegliches Flirren, gibt es kein Heiß und Kalt, sondern nur gediegenes Handwerk. Kein Wunder, dass sich die Bergherrin da sichtlich langweilt; sie aalt sich ein wenig am Boden, streichelt den eigenen Körper und herabhängende Baumspitzen – dieser Hörselberg steht offenbar auf dem Kopf. Ach nein, wir befinden uns in ihm. Und Tannhäuser, der für diese „Göttin der Liebe“ gleich ein paar Nummern zu bieder ist, will wieder zurück in die päpstlich diktierte Prüderie. Dort erwartet ihn aber erst einmal eine gealterte Jungen-Bande, die sich im rituell zelebrierten Röten die Oberkörper mit Theaterblut einschmiert.

Wer da an den nun doch so überraschend wiedergewählten Möchte-Gern-Macho aus dem Moskauer Kreml gedacht hat, lag gewiss nicht ganz falsch. Wie sehr in solch lupenreinen Demokratien Schwarz und Weiß vermischt werden, zeigt sich ja nicht nur am gleichnamigen Haus der US-amerikanischen Hauptstadt. Irgendwie hatte zu Beginn des zweiten Aufzugs auch die jungfräulich geile Elisabeth (unfreiwillig) ihren Anteil daran. „Stehet auf!“ verlangt sie vom wieder in den Schoß der scheinheiligen Kirche zurückgekehrten Tannhäuser, doch der hat sich erst gar nicht auf die Knie begeben, geschweige denn in die Hocke.

Unfreiwillig komisch, dabei war die sogenannte Hallenarie durchaus ein erster Höhepunkt an diesem langen Leipziger Winterabend mitten im März. Denn Elisabet Strid gab ihrer Figur Leben und klangschöne Stimme, sie zwang Dirigent und Orchester, sich auf sie einzustellen, plötzlich waren sogar mal leisere Töne da, die zumeist mehr anrühren als jedwede Krachmacherei.

Da Kathrin Göring als Venus eine plötzlich eingetretene Erkältung ankündigen ließ, war ein direkter Vergleich nicht gegeben. Dennoch nötigte ihre Gestaltung dieser Partie höchsten Respekt ab, ausgewogen, rund und ergreifend, in Spitzentönen freilich hier und da angespannt. Entsprechend unzufrieden wirkte sie denn auch beim Schlussapplaus. Ganz und gar krank melden musste sich Burkhard Fritz, der bereits an früheren Stationen dieses Euro-„Tannhäusers“ von Bieito mitgewirkt hatte. Kurzfristigst sprang Heldentenor Stefan Vinke für ihn ein, souverän in jedweder Hinsicht.

Wenig die Chance, rund und überzeugend zu wirken

All solche äußeren Umstände nahmen diesem „Tannhäuser“ ein wenig die Chance, rund und überzeugend zu wirken. Das Einstudieren der deutschen Erstaufführung dieser Sicht auf die Oper durch Bieitos Assistentin Barbora Horáková Joly glättete womöglich den kaum mehr wahrnehmbaren Biss dieser Produktion. Auf deren Habenseite steht – neben aller szenischen Unausgewogenheit – eine gewisse Ästhetik der Bühne von Rebecca Ringst, die erst unter den Wald, dann in ein aseptisch weißes Hallenkonstrukt und schließlich eine erdige Vermengung beider Welten führt. Auch die Kostüme von Ingo Krügler lassen eine räumlich-zeitliche Verortung kaum zu, da gibt es schwarze Abendrobe neben Abenteuerkleidung und müssen die Frauen (als „Objekte“?) in Spaghettiträgern viel Haut zeigen.

Der exzellent vorbereitete Chor, der nur manchmal andere Tempi als das Gewandhausorchester wählt, wirkte zumeist ähnlich wie die Solisten als singendes Dekor eingesetzt. Wenn von Personenführung die Rede sein kann, dann wohl nur bei Elisabeth, Venus, dem Einspringer Tannhäuser sowie beim dank Mathias Hausmann mit wohldosierter Inbrunst gesungenen Wolfram von Eschenbach. Der war ja bekanntlich auch eher ein Zweifler.

Die Oper Leipzig plant nun, in den kommenden Jahren das komplette Musiktheater von Richard Wagner auf die Bühne zu bringen. Dazu gehört dann auch Katharina Wagner, die 2020 „Lohengrin“ herausbringen soll.

  • Termine: 24.3., 2.4., 27.5., 18.11., 9.12.2018

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