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Johannes Brahms.
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Facetten der Sehnsucht – Notizen zum Lübecker Brahms-Festival im Mai 2014

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Das Motto beim Brahms Festival an der Musikhochschule Lübeck (MHL) 2014 war ein zentrales Sujet der Romantik: Sehnsucht als seelische condition humaine in der Spannweite musikalischer Kommunikation. Jedoch war das Programm nicht nur auf den Namenspatron oder diese Epoche bezogen, sondern erstreckte sich über die Historie hinaus bis zu zeitgenössischen Kompositionen.

Traditionell beginnt und endet das Brahms Festival mit großen Formaten. Zur Eröffnung dieses Jahr präsentierte das MHL-Sinfonieorchester unter der Leitung des prominenten Gastdirigenten Lothar Zagrosek vier Werke: eine etwas grobkörnige Interpretation der „Haydn-Variationen“ von Brahms, die in geheimnisvollen Naturchiffren sich bildende Sinfonie Nr. 7 von Jean Sibelius, dem in Klangbändern sich bewegenden „Angin“ (2003, indonesisch: Atem) für Bläserorchester und drei Schlagzeuger von Dieter Mack und Richard Strauss' „Sechs Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano“, die Caroline Stein mit subtilen Soprantimbres sang. Das flimmernd-erotische „Prélude à l'aprés-midi d'un faun“ (Kammer-Arrangement: Benno Sachs) von Claude Debussy und die doch eher dolce akzentuierte Sinfonie Nr. 4 (Kammer-Arrangement: Erwin Stein) von Gustav Mahler gaben der Sehnsucht-Thematik mit ambivalenten „Himmlischen Freuden“ einen Abschluss zum Weiterdenken.

Zwischen dieser sinfonischen Klammer war eine Reihe Kammermusikkonzerte gefügt, die Vokal-Sujets wie „Goethe-Lieder“ (zu Mignon und Wilhelm Meister) von Hugo Wolf, Franz Schubert und anderen, nostalgische Aspekte wie „Heimweh“, insbesondere in Wiegenliedern von Brahms und Robert Schumann sowie „Heimat“ in der Sonate e-Moll von Bedřich Smetana, der exzeptionellen „Fantasie“ für Theremin, Oboe, Streichquartett und Klavier von Bohuslav Martinů und dem leidenschaftlichen Klaviertrio Nr. 3 von Antonin Dvořák vorstellten. Zwei Exkurse wiesen über den üblichen Radius des Brahms Festivals hinaus: Ein Zyklus mit dem Titel „Fernweh“, bei dem Tango- und anderes Tanzrepertoire aus Lateinamerika von Astor Piazzolla, Heitor Villa-Lobos sowie Alberto Ginastera das Publikum doch zur Begeisterung motivierte.

Das Pendant dazu war „Die Stille Stunde“, ein Nachtkonzert in der St. Petrikirche, das mit modernen Werken für Perkussion wie „Schlafgewölk“ von Heinz Holliger, „The King Of Denmark“ von Morton Feldman oder „Music For Carillon“ von John Cage zur Kontemplation einlud. Gerade solche unkonventionellen Facetten der Sehnsucht-Thematik erweiterten den (vermuteten) musikhistorischen Horizont beim Brahms Festival 2014 und lenkte durch ein gelungenes Konzept die Aufmerksamkeit zu (unvermuteten) Zusammenhängen und eben auch zu Brahms-Wirkungen in der Gegenwart.

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