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Dietrich Henschel (Moses). Foto: © Sebastian Hoppe

Dietrich Henschel (Moses). Foto: © Sebastian Hoppe

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Fehlende Worte und verweigerte Bilder

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In ihrer „Fokus ’33“-Reihe bringt die Oper Bonn Arnold Schönbergs Opernfragment „Moses und Aron“ auf die Bühne.

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Arnold Schönbergs Opernfragment „Moses und Aron“ hat es mittlerweile ins Repertoire der klassischen Moderne geschafft. Ambitionierte Häuser und Regisseure stellen sich der Herausforderung. Seine puren Dimensionen freilich brauchen eine besondere Kraftanstrengung gerade was die Chormassen betrifft. In der Oper Bonn passt das Werk als ein Höhepunkt in die ambitionierte Reihe des Hauses unter dem Label „Fokus ’33“. Auch wenn es erst 1957, also Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft in Zürich, szenisch uraufgeführt wurde. Zwei Jahre später folgte (immer noch gegen zählebigen Widerstand in Teilen des Publikums) die Deutsche Erstaufführung in Westberlin. In der DDR konnte sie Harry Kupfer immerhin in Dresden 1975 durchsetzen. Für das Feindbild der brauen Barbaren war der Jude und musikalische Avantgardist Arnold Schönberg (1874-1951) ein Musterexemplar. Der alttestamentarische Diskurs des von Schönberg selbst verfassten Librettos natürlich auch. Hier sucht Moses obsessiv und geradezu verzweifelt nach den passenden Worten, um seinen Gott, dem Volk, das bislang zu vielen Göttern gebetet hatte, ohne Bilder verständlich zu machen. Im Gegensatz zu seinem pragmatischen Bruder Aron, der sich auf die sozusagen realpolitische Vermittlung des Grundsätzlichen verstand und dabei auch Kompromisse im Hinblick auf das von Moses vertretene Bilderverbot einging.

Bei ihrer Bonner Neuinszenierung suchen Lorenzo Fioroni (Regie), Paul Zoller (Bühne) und Sabine Blickenstorfer (Kostüme) selbst nach einem Weg zur Abstraktion. Was sie dabei finden, ist gleichsam ein Decrescendo der Bühnenopulenz, um so dem Kern des grundsätzlichen Streites zwischen den so gegensätzlichen Brüdern Moses und Aron, vor allem aber der Vehemenz, mit der Moses seine Position vertritt, auf die Spur zu kommen. Alles beginnt in einer überdimensionierten Puppentheater- bzw. Bilderbuch-Ästhetik. Mit dem Blick aus einer Höhle in den Himmel. In der Mitte baumelt eine schlichte Es-werde-Licht-Glühbirne. Die bleibt auch dort und könnte ein Platzhalter für die Stimme des Gottes sein, mit dem bislang allein Moses exklusiv auf vertrautem Fuße steht.

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Martin Koch (Aron), Dietrich Henschel (Moses). Foto: © Sebastian Hoppe

Martin Koch (Aron), Dietrich Henschel (Moses). Foto: © Sebastian Hoppe

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Die Brüder sind zunächst unter Puppenköpfen verborgen. Moses hütet Schafe. Der Dornbursch brennt. Zwischen den Szenen öffnet und schließt sich der Vorhang wie ein Zoomobjektiv. Die Revolte, die Moses in die Wüste treibt, findet dann in einem Bilderrahmen als Szenerie aus dem 19. Jahrhundert statt und ähnelt eher einem Tumult an einer Börse der Gründerzeit. Der Kern dieses szenischen Zugangs ist aber der Verzicht auf den Bilderzauber, der in anderen Inszenierungen beim Tanzes ums goldene Kalb entfesselt wird. 

Hier sind es nämlich nicht die von Moses allein Gelassenen, die außer Rand und Band geraten und sich mit dem Kalb ihre alten Götter zurückholen. Hier ist es Moses, der allein auf sich gestellt mit sich und seinem Gott ringt. „Einziger, ewiger, allgegenwärtiger, unsichtbarer und unvorstellbarer Gott…!“ ist sein Credo. Und sein Problem. Äußerlich sieht das nach einer Melange aus Zerstörungswut und kreativem Schub eines Künstlers aus. Der Sänger Dietrich Henschel geht in dieser Sprechrolle darstellerisch ins körperliche Extrem. Bis die 10 Gebote beisammen sind, fallen in einer einsamen Kammer immer wieder Gegenstände von oben auf ihn herab. Er zerstört sie, er verletzt sich, legt alle Sachen ab, beschmiert sich mit Farbe und malt mit seinem ganzen Körper die Wände voll. In diesem expressiven Ringen mit sich wird der Tanz ums Goldene Kalb sozusagen auf die andere Seite des Konfliktes zwischen den beiden Brüdern gespiegelt. Der lebendige, traktierte Körper von Moses „ersetzt“ so gleichsam die Gesetzestafeln aus Stein. Bleibt die Frage, ob die Gottesgewissheit von Moses so unerschütterlich ist, wie er glauben will. Aber auch bei Aron (den Martin Koch überzeugend singt und spielt) bleiben Zweifel an der Überlegenheit seiner pragmatischen Argumente. Wenn Moses zurückkehrt, empfängt ihn Aron inmitten von lauter toten blutbefleckten Dummies. Für ein Also-sprach-Moses-Donnerwetter fehlen dem hier die schlicht und einfach die Zuhörer. Sein finales „O Wort, du Wort, das mir fehlt!“ wird so zum Ausdruck purer Verzweiflung. Er legt sich wie ein Kind zusammengerollt auf die Seite. Wenn nicht von Gott, so doch von den Menschen verlassen

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Chor des Theater Bonn, Vocalconsort Berlin. Foto: © Sebastian Hoppe

Chor des Theater Bonn, Vocalconsort Berlin. Foto: © Sebastian Hoppe

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Am Ende war es zwar grandioses Bildertheater, das Fioroni bietet. Aber eines, dessen Faszination sich aus der Grenzüberschreitung zum „Nichtmehrbebildern“ speist.

„Moses und Aron“ bleibt als Oper eine offene Frage, die von keiner Inszenierung wirklich beantwortet, sondern nur ans Publikum weitergereicht werden kann. Für die durch das Vocalconsort Berlin verstärkten und von Marco Medved präzise einstudierten Chöre, das so wach wie sinnlich und transparent aufspielende Beethovenorchester und seinen Chef Dirk Kaftan und natürlich für alle Protagonisten war die Antwort des Publikums für ihren Kraftakt ganz zu Recht geschlossener Beifall! 

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