„Der Konsul“, eine Oper des italo-amerikanischen Komponisten Gian Carlo Menotti, wurde für den Broadway geschrieben. Sie wurde dort von März bis November 1950 en suite gespielt und bald in der ganzen Welt aufgeführt und in achtzehn Sprachen übersetzt. Ein amerikanischer Beobachter sagte einmal: „Menotti schreibt moderne Musik für Leute, die moderne Musik hassen“. Es bleibt offen, was das Stadttheater Bremerhaven nun mit dieser knalligen, durch und durch eklektischen Musik eigentlich wollte.
Menottis Stil ist permanenter Widerstand gegen neue Musik, er badet im Neo-Puccini, im Neo-Strauss, kopiert alles, was ihm am Ende des neunzehnten Jahrhunderts gefällt. Irgendwann ist dieses „Neo“ unerträglich und doch muss man zugeben, dass die Montage derartiger Flickenstücke gekonnt ist, auch wenn Text gegen Musik immer 1:1 ist, simpel und effektvoll im Sinne von drastischer Filmmusik.
Wenn dann das Sujet wie hier von großer Aktualität ist, dann lässt sich das sogar gewinnbringend ansehen: Der Konsul eines unbekannten Landes vergibt in einem totalitären Staat „ irgendwo auf der Welt“ Visa, quält aber seine Antragsteller mit immer neuen bürokratischen Vorlagen und Formularen und macht auch noch gemeinsame Sache mit dem Staat. Er ist nie zu sehen. Dabei wird die tödliche Bürokratie die Hauptsache, nicht aber den Fall, um den es geht. Die politischen Umstände bleiben letztendlich vage, die Parabel ohne aktuellen Bezug. Die Geheimpolizei hat den Freiheitskämpfer John Sorel im Visier, John flieht und seine Frau Magda ist auf der Suche nach den erforderlichen Visa. Als Sorel wegen seines gestorbenen Kindes und seiner ebenfalls verstorbenen Mutter wieder ins Land zurückkommt, begeht Magda Selbstmord.
Die Inszenierung von Matthias Oldag beginnt mit realistischen Bildchen aus Feierabendserien, findet aber immer mehr zu einer packenden menschlichen Geschichte. Das liegt vor allem am hohen Niveau der Inga Britt Andersson, die der Magda Sorel brennende Leidenschaft und Verzweiflung verleiht. Und an der karikierenden Intensität von Patrizia Häusermann als zynische Sekretärin, an Timothey Sharp als getriebener Widerständler. Auch die anderen Rollen waren glaubwürdig besetzt. Das minimalistische Bühnenbild – nur wenige Möbel sind zu sehen – stammt von Susanne Richter: dass das Sekretariat aus der Höhe herabgefahren kommt, ist ein schöner Einfall. Marc Niemann feuerte das Orchester zu reißenden Klangfarben und pompösen Klängen an. Insgesamt ein unterhaltsamer Abend, der an vielen Stellen auch unter die Haut geht, aber Musiktheater des 20. Jahrhundert ist diese Verismo-Kopie nicht. Dass Luigi Nono die Aufführung seiner „Intolleranza 1960“ 1972 beim Maggio Musicale Fiorentino aus Protest gegen Menottis Werk vom Spielplan nahm, ist in diesem Zusammenhang unvergessen.