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Drittklässler der Grundschule Balg tanzen zu Notations. Foto: Festspielhaus Baden-Baden
Drittklässler der Grundschule Balg tanzen zu Notations. Foto: Festspielhaus Baden-Baden / Manolo Press
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Festspielhaus Baden-Baden feierte Pierre Boulez mit Zugaben, großartigen Musikern und Kindertänzern

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Zugaben werden nach Konzerten mit Neuer Musik nur äußert selten gefordert. Aber beim Abschlusskonzert des beeindruckenden Tages „Baden-Baden feiert Pierre Boulez“ im Festspielhaus Baden-Baden herrschte nach der Wiedergabe der rauschhaften, von zehn Schlagzeugern angetriebenen „Notation II. Très vif“ durch das groß besetzte, brillante SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg solch eine Begeisterung, dass Chefdirigent Francois-Xavier Roth dieses effektvolle Orchesterstück gleich nochmals präsentierte. Damit ging das eintägige, international besuchte Pierre-Boulez-Festival mit einem Ausrufezeichen zu Ende.

Der auch mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Baden-Baden Geehrte, der am 26. März 2015 seinen 90. Geburtstag feiert, konnte zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein, verfolgte die Konzerte aber auf dem heimischen Bildschirm ein paar Straßen weiter via Livestream. Er dürfte seine Freude gehabt haben angesichts der erstklassigen Interpretationen und des hochkonzentrierten Publikums. Das Theater Baden-Baden bot bei den beiden Mittagskonzerten einen intimen Rahmen für die kammermusikalischen Werke. In Baden-Baden begann Pierre Boulez, inspiriert durch Hans Rosbaud, seine Laufbahn als Dirigent. „Le Marteau sans maître“ (Der Hammer ohne Herr) wurde 1955 in Baden-Baden uraufgeführt und war eines der ersten Werke, mit dem der Komponist Erfolg hatte. Auch dass Erich Seiler, der als Schlagzeuger bei der Uraufführung des Werkes dabei war, nun auch bei der behutsamen Interpretation durch Mitglieder des SWR-Sinfonieorchester beim Nachmittagskonzert im Theater zuhört, ist eine bewegende Baden-Badener Geschichte. Das neunsätzige Werk verbindet asiatische Klanglichkeit mit strenger Konstruktion. Die Altistin Donatienne Michel-Dansac gestaltet die vertonten surrealistischen Verse von René Char sensibel und dezent. Vor allem Viola (Jean-Eric Soucy) und Altflöte (Anne Romeis) sorgen für die dunkle Tönung.

„Diese Musik ist das Sinnlichste, was man sich vorstellen kann. Alles ist substantiell melodisch“ schwärmt Wolfgang Rihm von „Le Marteau“ in der von Anja Höfer moderierten Gesprächsrunde. Auch für den Pianisten Pierre-Laurent Aimard besitzt Boulez‘ Musik eine große Emotionalität. „Nur zeigt er sie nicht offen. Das ist ein wenig wie ein Versteckspiel.“ Klassiker seien für ihn dessen Werke aber noch lange nicht, widerspricht er der Moderatorin. „Es gibt noch viel zu tun.“ Dem Hörer empfiehlt er, sich Zeit zu nehmen und Geduld zu haben bei der Beschäftigung mit dem Werk des französischen Komponisten.

Geduld braucht man beispielsweise beim groß dimensionierten „...explosante-fixe...“, das das Abendkonzert eröffnete. Da können Sophie Cherrier (MIDI-Flöte) und Dagmar Becker/Anne Romeis (Flöte) noch so virtuose Figuren blasen, die elektronisch vom Experimentalstudio des SWR verfeinert und verfremdet durch den Raum geschickt werden, da kann das in drei Gruppen aufgeteilte SWR-Sinfonieorchester unter der Leitung von François-Xavier Roth noch so präzise agieren – die hohe Aktionsdichte wird zumindest phasenweise zur Reizüberflutung. Die Dauererregung ermüdet. Die komplexen Strukturen können hörend kaum nachvollzogen werden. Das ist schwere Kost, die auch 2015 eine Herausforderung bleibt. Die Première Sonate für Klavier, die Pierre-Laurent Aimard mit kristalliner Präzision zum Leben erweckt, vermittelt sich leichter in ihrem Hin und Her zwischen virtuoser Geste und daraus folgenden Kettenreaktionen im zweiten Satz, die aber immer wieder von lyrischen Inseln ausgebremst werden. „Dérive 1“ für sechs Instrumente ist ein zärtliches, fast impressionistisch angehauchtes Stück, das die erstklassigen boulezerfahrenen Solisten des SWR-Sinfonieorchesters zu einem Festivalhöhepunkt werden lassen. „Anthèmes 2“ für Violine (großartig: Hae-Sun Kang) und Live-Elektronik (Klangregie: Michael Acker und Sven Kestel) wird zu einem in jeder Sekunde fesselnden Hörabenteuer.

Ein weiterer Höhepunkt ist sicherlich die charmante, durchaus anspruchsvolle Choreographie von Yasha Wang, die die Drittklässler der Grundschule Balg zu einigen Notations für Klavier (Tamara Stefanovich) tanzen. Wie sich die Kinder die Musik eingeprägt haben, sich in verschiedenen Gruppen dazu bewegen und völlig selbstständig und natürlich auf der Bühne des Festspielhauses Baden-Baden agieren, ist bemerkenswert. Dass dieser „Tag für Pierre Boulez“ solch ein spektakulärer Erfolg wird, liegt neben dem Mut der Veranstalter und der klugen Dramaturgie vor allem aber am SWR-Sinfonieorchester. „Es gibt kein Orchester der Welt, das diese Musik besser spielen kann“, konstatiert François-Xavier Roth. Man kann es immer noch nicht glauben, dass dieser hochspezialisierte Klangkörper mit der Orchesterfusion im nächsten Jahr vom Südwestrundfunk aufgelöst wird.

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