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Carl Nielsen im Rahmen seiner Familie. Um 1900.
Carl Nielsen im Rahmen seiner Familie. Um 1900.
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Fulminanter Ausklang. Carl Nielsens „Maskarade“ in Amsterdam

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Man hat es ahnen können, dass das diesjährige skandinavische Doppeljubiläum hierzulande zugunsten von Jean Sibelius ausging – wenn auch beträchtlich leiser als zunächst erwartet. Dass aber ebenso der 150. Geburtstag von Carl Nielsen (1865–1931) im Kalender stand, wurde kaum bemerkt. Und so bildete kurz vor dem Weihnachtsfest (am 19. Dezember 2015) die konzertante Aufführung der Oper „Maskerade“ im Amsterdamer Concertgebouw einen würdigen Ausklang des Jubiläumsjahrs.

Vieles war ungewohnt. Allein die angegebene Uhrzeit ließ an einen Druckfehler denken; doch die um 13 Uhr beginnende Samstags-Matinee hat in Amsterdam nicht nur eine feste Tradition, sondern auch ein kundiges Auditorium. Auch die Besetzung trifft man nicht alle Tage an: durchgehend dänische Solisten aus der ersten Reihe, dazu der große niederländische Rundfunkchor und das Radio Filharmonisch Orkest unter seinem deutschen Chefdirigenten Markus Stenz.

Solch ein Event – noch dazu mit landesweiter Live-Übertragung – mag angesichts der erst vor ein paar Jahren politisch gewollten, dann aber abgewendeten Auflösung aller öffentlich-rechtlichen Klangkörper wie ein Zeichen ungebrochener Kraft erscheinen. Vor allem aber machte die Aufführung deutlich, dass solch eine ausgesuchte Werk-Wahl nicht von einem beliebigen „Telefon-Orchester“ zu bewältigen ist; es bedarf vielmehr jener trefflichen Professionalität, mit der vielerorts die darüber entscheidenden Instanzen nicht immer gesegnet sind.

Möglich wurde die Aufführung denn auch nur durch ein bedeutendes privates Engagement – oder wie es später in launiger Runde anerkennend hieß: durch den Erwerb des wohl teuersten Tickets des Konzerts. Gelohnt hat sich dieses Investment in die Musik allemal. Denn so konzertant, wie es einem Saal und Podium glauben machen wollten, war die Aufführung keineswegs. Geschickt unter Einbeziehung der räumlichen Möglichkeiten positioniert sowie durch die im Libretto verlangten Auf- und Abtritte in Bewegung gesetzt, agierten schließlich die Solisten trotz der begrenzten Möglichkeiten nachgerade szenisch – auch zum Erstaunen einer Dame aus der nicht nur im Zirkus oder einer TV-Shop „gefährlichen“ ersten Reihe.

Dass hier einfach alles passte, ist der klugen Entscheidung zu verdanken, schon mit Rücksicht auf die sprachliche Herausforderung nahezu das gesamte Ensemble zu verpflichten, das auch bei der international in höchsten Tönen gelobten dänischen Neueinspielung (dacapo) vor den Mikrophonen stand – vom unglaublich spielfreudigen und stimmlich präsenten Stephen Milling (Jeronimus) über Niels Jørgen Riis (Leander) und Johan Reuter (Henrik) bis hin zu Dénise Beck (Leonora).

Gerade die Reduktion auf das Musikalische eröffnete für das ohnehin sehr geradlinige Werk neue Möglichkeiten: So entschied sich Stenz – an diesem Nachmittag vom Druck einer dramaturgisch kalkulierten Inszenierung befreit – gegen manche schon selbst Tradition gewordene Kürzung. Vor allem aber gelang es ihm und dem voll besetzten Orchester ohne die sonst auferlegten Beschränkungen des Grabens oder einer wohlmeinenden Aufnahmetechnik die vor schöpferischer Frische und kompositorischem Selbstbewusstsein strotzende Partitur der „Maskerade“ in all ihren Farben und Facetten erlebbar zu machen. Nach mehr als drei Stunden hielt es das Auditorium schließlich beim Schlussapplaus nicht mehr auf den Sitzen. Auch der seit seinen Kindertagen neckisch lächelnde Carl Nielsen hätte sich gefreut.

  • Die konzertante Aufführung ist derzeit noch nachzuhören auf www.radio4.nl

 

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