Betrachterperspektiven, Proportionen und Symmetrien verleihen dem ungewöhnlichen Theaterprojekt Sujet und Struktur. Der Titel bereits, „Königin Ök“, ein Palyndrom, gibt das formelhaft vor. Ausstatter Michael Simon knüpft die theatralische Geometrie an ein Künstlersujet. Diego Velázquez’ Gemälde „Las Meninas“, 1656 gemalt, birgt die Ausgangsidee. Es zeigt einen höfischen Maler, überlässt jedoch Spiegeln die Antwort, wer dem Malvorgang zuschaut und wer dargestellt wird. Das barocke Herrscherporträt, das sein Objekt nicht offenbart, wird in Bonn keinesfalls dupliziert. Von Interesse war vielmehr, das Thema des Abbildens selbst in einen Theaterraum zu projizieren und dies mit Formexperimenten anderer Künste zu kombinieren.
Rechter Hand auf der Bühne, dem Blick abgewandt, das Bild. Links auf der Videowand die verdoppelnde Sicht: Von oben besehen gleicht der offene Raum einem Käfig, einem geschlossenen Ring. Zeitversetzt erfasst die Kamera darin bereits jenen Mann, der die Szene erst Minuten später betritt. Vereinzelte Klänge, musikalischen Punkten gleich, überqueren das Publikum. Sie vernetzen sich und werden zum flächigen Sound, wenn der Protagonist schweigend zunächst seine einsame Runde beginnt. Sein möglicher Text, an eine Wand projiziert, fantasiert über das alles umfassende Sein. Und ein Sängerquintett, hochsitzend inmitten der Hörer, formuliert derweil den ersten Vokal. Betrachterperspektiven, Proportionen und Symmetrien verleihen dem ungewöhnlichen Theaterprojekt Sujet und Struktur. Der Titel bereits, „Königin Ök“, ein Palyndrom, gibt das formelhaft vor. Ausstatter Michael Simon knüpft die theatralische Geometrie an ein Künstlersujet. Diego Velázquez’ Gemälde „Las Meninas“, 1656 gemalt, birgt die Ausgangsidee. Es zeigt einen höfischen Maler, überlässt jedoch Spiegeln die Antwort, wer dem Malvorgang zuschaut und wer dargestellt wird. Das barocke Herrscherporträt, das sein Objekt nicht offenbart, wird in Bonn keinesfalls dupliziert. Von Interesse war vielmehr, das Thema des Abbildens selbst in einen Theaterraum zu projizieren und dies mit Formexperimenten anderer Künste zu kombinieren. Der junge Grazer Klaus Lang hat speziell für die Architektur des Forums der Bundeskunsthalle komponiert. Zwei gegenübergesetzte Kontrabassisten vollziehen hier im Zeitlupentempo und in verschiedener Richtung extreme Glissandi, der Perkussionist sitzt in der Mitte und produziert einen flächigen Klang. Insgesamt 21 Solisten vom Orchester der Bonner Beethovenhalle agieren über dem Publikum auf der Saal-Galerie. Geleitet von Anton Zapf, eröffnet ihr Spiel mit einem vereinzelten Ton; zur Halbzeit, nach 37 Minuten, wird die allmählich gewachsene Dichte erneut Stück um Stück reduziert.Autor Steffen Kopetzky beginnt in der Mitte und hat seinen Text sozusagen nach außen, mit zwei verschiedenen Schlüssen verfasst. Er gibt ein Kriminalstück ins Spiel, das sich jedoch auf Fragmente des Angstmonologs eines vermuteten Eifersuchtstäters reduziert. Ob Akteur Hannes Hellmann, der im Zentrum des Werks kompakte Textmengen hat, den Mörder, Velázquez’ Maler oder einen einsamen Menschen darstellt, bleibt ungewiss. Wichtiger für das Erfassen des Ganzen ist die strukturelle Mengenverteilung: das Verhältnis von pantomimischem Tempo, von gesprochenem, gesungenem oder zu lesendem Wort, vom Netzwerk musizierter Aktion. Handlung und Figurenerzählung wie im konventionellen Theater, Botschaft und gar ein moralisches Urteil stellt das Stück in keiner Hinsicht bereit. „Königin Ök“ realisiert sich vielmehr, wenn man die Möglichkeit verschiedener Perspektiven, die Gleichzeitigkeit von oben und vorn, divergente Bewegungsabläufe, Spiegelungen in Text, Klang, Bild und Aktionen begreift.
Im Rahmen der experimentellen Bonner Reihe „bonne chance!“ bildet „Königin Ök“ den dritten und letzten Teil eines szenischen Raum-Klang-Projekts, dessen Bindeglied der Regisseur und Ausstatter ist. Michael Simon, in den 80ern Bühnenbildner für William Forsythe und derzeit in Karlsruhe Professor für Szenografie, hatte in Bonn zuvor Beat Furrers „Narcissus“ sowie die Uraufführung des von Furrer und Lang komponierten Büchner-Stücks „Stimme allein“ realisiert. Schon diese zwei Versuche eines nicht-narrativen Musik-Theaters basierten auf einer Atomisierung von Sprache, auf musikalischer Kargheit und szenischer Reduktion. Auch sie waren schon mit dem Darsteller Hannes Hellmann besetzt, der experimentelles Sprechen und abstraktes Spiel zu vereinen versteht. Die in beiden früheren Stücken thematisierte Unmöglichkeit des Kommunizierens gründete sich in Simons Regie auf eine Nicht-Einsehbarkeit des Funktionierens von Theater- und Medienbetrieb. Simon/Kopetzky/Langs „Königin Ök“ tendiert zum Gegenteil. Alle theatralischen Abläufe wirken offengelegt, transparent, Text, Musik, Szene und Bild sind dramaturgisch präzise zusammengestellt. Dennoch bleibt und ereignet sich nichts, sind alle Spiegel verhüllt und alle Bilder innen leer.