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Heike Hoffmanns Abschieds-Festival wurde von gutem Wetter begleitet. Das Motto „Da Capo“ zieht sich durch das Festival, kann aber auch als Aufforderung an ihre Nachfolgerin Cornelia Bend verstanden werden. Foto: Matthias Wittig

Heike Hoffmanns Abschieds-Festival wurde von gutem Wetter begleitet. Das Motto „Da Capo“ zieht sich durch das Festival, kann aber auch als Aufforderung an ihre Nachfolgerin Cornelia Bend verstanden werden. Foto: Matthias Wittig

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Große und kleine Neuanfänge

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„Da Capo“ – Schwetzinger SWR Festspiele 2024 mit Erfolg in den Führungswechsel
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Jedes Ende kann auch ein neuer Anfang sein. Das zeigten die Schwetzinger SWR Festspiele in diesem Jahr sehr eindrücklich mit dem Motto „Da capo“ – also mit einer Spielanweisung, die dazu auffordert, ein Musikstück noch einmal von vorne zu beginnen. Auf die Festspiele passte das haargenau. Denn tatsächlich waren in Schwetzingen viele große und kleine „Neuanfänge“ zu entdecken. Das prominenteste Beispiel war dabei der kommende Führungswechsel bei den Festspielen: Es war das achte und letzte Festival unter der künstlerischen Leitung von Heike Hoffmann, die ihr Amt jetzt an Cornelia Bend übergeben hat.

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Und bei einem Blick ins Programmheft wurde dann noch klar: Auch ein Wiedersehen kann ein Neuanfang sein. Heike Hoffmann hatte im Vorfeld erklärt, mit dem Motto „Da capo“ vor allem viele Künstlerinnen und Künstler erneut in den Fokus gerückt zu haben, mit denen sie in den letzten Jahren zusammengearbeitet habe. Besonders erstaunlich war dabei, wie stringent sich dieser Aufhänger durch jeden einzelnen Programmpunkt zog.

Schon am ersten Abend zeigte das die Uraufführung der in Koproduktion mit dem Luzerner Theater entstandenen Oper „Der Doppelgänger“ im Schwetzinger Rokokotheater nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski. Das Publikum erwartete eine einzigartige Inszenierung: Dank eines beweglichen „Setzkastens“ aus Holz, in dem sich die Darsteller spontan bewegen mussten, wirkte das Bühnenbild selbst am Spielgeschehen mit (mehr in der Uraufführungskritik von Rainer Nonnenmann auf dieser Seite). 

Immer wieder fiel auf, dass die Schwetzinger SWR Festspiele nicht versuchten, eine hochglanzpolierte Klassik-Szene zufriedenzustellen. Musikalisch wurde viel experimentiert – und das ist gut so. 

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Mut zum Risiko

Bei der Installation „Imagined Garden“ war das besonders stark zu spüren. Denn die Künstlerinnen Sarah Maria Sun, Grace Ellen Barkey und Tamara Miller forderten hier einen längst überfälligen Neubeginn: Um auf die Bedrohung unseres Planeten durch den Klimawandel aufmerksam zu machen, verwandelten die Künstlerinnen die Orangerie des Schlosses in einen Erlebnisraum. Dafür hatte Grace Ellen Barkey über 600 Fenster mit bunten Transparenten abgeklebt, jedes davon ein Unikat mit eigenem Muster. Diese entstanden durch verwelkte Blüten, die auf den Transparenten aufgebracht wurden. Dazu brummte eine durchdachte Klanginstallation: Spezielle Apparate aus Metall erzeugten durch Zylinderspulen rhythmische Geräusche in unterschiedlichen Frequenzen. Damit rückten die Künstlerinnen elektrische Signale, die Pflanzen zur Weitergabe von Informationen verwenden, in den Fokus. Solche Naturwunder würden leider zu oft als selbstverständlich angesehen. In dieser experimentellen Installation war das Motto „Da capo“ also ebenfalls zu finden. Das unterstreicht Heike Hoffmanns hervorragendes Gesamtkonzept. Immer wieder schlug dieses Konzept Brücken zwischen neuen, experimentellen Musikformen und klassischem Repertoire. Ein Paradebeispiel dafür war der Klavierabend des Pianisten Fabian Müller. Er rahmte György Kurtágs modernes Werk „Szálkák“ mit Brahms Klaviersonate Nr. 3 in f-Moll und Beethovens „Waldsteinsonate“ ein. Die motivischen Verknappungen aus „Szálkák“ fingen die fast orchestral ausgestaltete Klaviersonate von Brahms ab und kündigten das erste, ebenfalls knappe Thema der Waldsteinsonate an.

„Da Capo“ auch als Wiederentdeckung

Wie auch klassische Konzertstücke einen eleganten Neubeginn erfahren können, zeigte Bratschistin Tabea Zimmermann. Immer wieder schenkte sie äußerst unbekanntem Repertoire große Aufmerksamkeit. So spielte sie Paul Hindemiths Komposition „Des Todes Tod op. 23a“ laut Zimmermann „ein kleines Juwel“ des Komponisten, das selbst viele Profimusiker nicht kennen würden. Ein weiterer Hinhörer gelang ihr zusammen mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras und dem „Belcea“-Quartett. Die prominent erweiterten „Belceas“ spielten die beiden Streichsextette von Johannes Brahms. Wie viele von Brahms’ Werken, die oft in Paaren komponiert sind, ergänzen sich auch seine Sextette gegenseitig. Das zweite Streichsextett formuliert die Themen des ersten weiter aus – ein neuer Blick auf vorhandenes musikalisches Material.

Und irgendwie erinnert das an den Führungswechsel bei den Festspielen: Denn hier hinterlässt Heike Hoffmann als künstlerische Leiterin laut eigener Aussage „ein gemachtes Haus“ – also ein Klassikfestival, das auch dank dem SWR über die Region hinaus strahlt. Das bietet eine gute Basis für Cornelia Bend, die im kommenden Jahr dieses „gemachte Haus“ weiterdenken soll.

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