Der Dirigent steht an einem Servierwagen mit dem Deko-Tuch „Franz Furtwängler“. Das leere Bühnenhalbrund wird hinten von einem „Perlvorhang“ der besonderen Art begrenzt: einem aus lauter Wurstschnüren. Das elfköpfige Ensemble CHROMA aus London sitzt zum Teil als schicke Jazz-Combo gleichsam im 1.Stock der Bühne, von dort tosen Wagner-Tuba, Querflöte, Basssaxophon, Geige oder Trompete.
Der kleinere Teil „harvt, ratscht oder xylophont“ hinter dem Würstchenvorhang. Im Mittelpunkt der folgenden 80 Minuten stehen die Sehnsuchts-, Metzger-, Liebes- und Eheproblemchen eines süßen Schweinchens, das Sopran singt. Eigentlich genügt das nicht schon, um die schräge Veroperung des Rudolf Herfurtner-Librettos „Gloria von Jaxtberg“ durch das Wiener Multitalent HKGruber zu charakterisieren? Doch da Gruber das Ganze für die englische Uraufführung in der dortigen Landessprache komponiert hat, prägen eben zwei Stilkomponenten das Ganze: die typisch österreichische hass-liebende Selbstpersiflage wie sie sich in der TV-Satiresendung „Wir sind Kaiser“ auslebt – und das dann nochmals durchtobt von der grotesken bis herrlich absurden Situationskomik à la Monty Python.
Genau diese Stilebenen hat das Bühnenteam um Jungregisseur Frederic Wake-Walker erkannt und immer wieder getroffen. Unüberhörbar blieb, dass der dem Werk innewohnende Witz nicht über die ganzen 80 Minuten trägt und es ein paar zu lange Passagen gibt. Doch Groteske und Doppeldeutigkeiten amüsieren auch. Da ist sich das Ferkel Gloria zu schön für den üblichen Stall: weil es nämlich blonde Locken und ein besonders schönes Ringelschwänzchen hat. Deshalb betrachtet es sein Spiegelbild so gerne, was zu einer Sopran-Arie in einer Schlammpfütze führt. Es bricht aus – und wird von Fröschen „be-quackt-sungen“. Es träumt von der Erlösung durch einen Märchenprinzen – erneute Sopran-Arie – und dann kommen nur zwei Ochsen und „be-muh-singen“ sie, weil liebend unerhört und unglücklich eben auch in echter Blues-Manier.
Längst hat sich eine wüst behaarte Wildsau in Gloria verliebt und poltert bassgewaltig daher. Doch Gloria hält die begeisterten „Verwurstungsblicke“ eines Metzgers für Liebe, singt noch auf der Schlachtbank – und muss durch eine Attacke der Wildsau gerettet werden.
Schlussbild: Wildsau Rodrigo, Gloria und ihre drei noch Windel tragenden Ferkel arrangieren sich zum Familienfoto-Quintett - bemühte Eintracht, die durch Überhitzung auf über 200 Grad zum Blackout führt. All dies fegt mit mal grell schrägen Jazz-Phrasen daher, dann kurzen Melodielinien, dann dissonantem Klanggetobe und von Ferne klingen auch noch Wagner, Wien und grässliche Volksmusikseligkeit an.
Damit nicht genug: bei allem Schönheitssingsang Glorias und ihrer Fixierung auf den Prinzen kommen einem doch Parallelen zur Jugend einer gleichnamigen Dame des deutschen Hochadels in den Sinn. Regisseur Wake-Walker lässt Gloria und die anderen Tiere auch Bregenz streifen, lokalpolitische Besonderheiten bespötteln und da es durchweg um die Wurst geht, darf auch Conchita Wurst nicht fehlen. All das gipfelt in einer Stallszene, wo das vokale „Oink-Oink“ durch herabfallende Transparente für die „Freischweinliche Partei Österreich“ verortet und auf einer Plakatwand „Mehr Mut zu Wiener Würstln“ gefordert wird. „Einen Jux will er sich machen“ – das ist HK „Nali“ Gruber gelungen, auch dem von Geoffrey Paterson akkurat dirigierten und Gilian Keiths Gloria-Sopran überstrahlten vier Partnern in Mehrfachrollen: eine Musikgroteske für einen lauen Sommerabend.