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Ks. Romelia Lichtenstein (Adriana Lecouvreur) © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Fotos: Anna Kolata
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Hauptsache schön bunt und üppig

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Romelia Lichtenstein glänzt in der Neuproduktion von Franceso Cileas „Adriana Lecouvreur“ in der jüngsten Neuproduktion dieser Oper im Opernhauses in Halle. Joachim Lange hat die Premiere für nmz-online besucht.

Manchmal gibt es Oper auch heute noch so, wie es sich mancher Zeitgenosse vorstellt. Oder zurückwünscht? Ganz so, wie sie in der Hochzeit des italienischen Belcanto wohl war: mit üppig funkelnden Illusionspappkulissen. Und mit rauschenden Kostümen. Die Damen lang wallend und hochgeschnürt, die Herren schneidig bestiefelt. Hauptsache schön bunt und üppig. Gesungen wird durchdringend und mit großer Geste. Von der Rampe aus ins Publikum oder einander ins Gesicht. Dazu gibt es eine Story, in der sich zwei Männer um eine Frau streiten. Oder zwei Frauen um einen Mann – wie bei der jüngsten Premiere.

Mindestens einer bleibt dabei auf der Strecke. Aktuell ist es Adriana Lecouvreur. Weil sie an vergifteten Veilchen schnuppert, die ihr die Rivalin zuschickt und die kurz vor ihrem Liebsten bei ihr eintreffen. Im Detail ist das alles so plausibel wie in einer TV-Vorabendserie. Etwa, wenn beide Frauen nebeneinander stehen und sich dennoch nicht erkennen. Mit diesem fiesen Mord aus Eifersucht endet Francesco Cileas (1866-1950) heute selten gespielte Oper. Das Libretto von Arturo Colautti basiert immerhin auf einer gleichnamigen Schauspielvorlage des Jahrhundertlibrettisten Eugène Scribe, der den gerüchteumwitterten frühen Tod der Schauspielerin verarbeitet hatte. Dass die Musik schon im 20. Jahrhundert entstand (1902 wurde die Oper in Mailand uraufgeführt) muss man dazu sagen. Kompositorisch ist sie ein Blick zurück. Nicht jede Oper ist ein Pflasterstein auf der Straße des Fortschritts, sprich der Weiterentwicklung des Genres. Manche sind auch ein standfester Blick auf den zurückgelegten Weg. Was ja durchaus auch seinen Reiz hat. Und ein dankbares Publikum findet.

Inszenieren durfte Ulrich Peters. Musikalisch und vokal war es allerdings Chefsache: Josep Caballé-Domenech ließ es am Pult der Staatskapelle mit Lust schmachten, schwelgen, flirren oder auch mal krachen. Die Musik verrät die Nähe zu Puccini und ist einfach perfekt und bühnenwirksam gemacht. Mit viel Futter für Melomanen im Zuschauerraum und auf der Bühne. Natürlich verströmt sich Romelia Lichtenstein mit allem was sie an vokaler Gestaltungskraft zu bieten hat. Und das auch trotz ihrer Fußverletzung beim Abgang in die Pause. (Gute Besserung!) Sie ist die leidenschaftlich liebende Schauspielerin Adriana Lecouvreur und das vokale Glanzlicht. Svitlana Slyvia ist als Fürstin von Bouillon ihre Rivalin. Mit einer Hutkreation mit der sie beim Pferderennen in Escot Eindruck machen könnte. Und mit der schneidenden Wucht der liebend betrogenen Frau von Rang. Die beiden haben es auf den schneidigen Grafen von Sachsen abgesehen. Bruno Ribeiro ist dieser - unsächsisch aber operntauglich – Maurizio genannte und manchmal bis an die Grenze zur Gesten- und Herumsteh-Parodie schmetternde Power-Tenor. Manchmal verblüfft er sogar mit ein paar schönen leisen Tönen. Zum Intrigen-Feuerwerk zwischen Garderobengewusel und Salon gehören auch noch der Fürst von Bouillon (bewährt balsamisch Ki-Hyun Park) samt Helfer (Ralph Ertel) als wendiger Abt und Kwang-Keun Lee als chancenloser Verehrer Adrianas. 

Die Regie erzählt die Geschichte gradlinig nach. Und Ausstatter Christian Floeren steuert neben einem großformatigem Bühnenportal und eindrucksvollem Salon bei den Kostümen und Requisiten all das bei, was auch ein gut sortierter Fundus so über die Jahre angesammelt hat. Der von Jens Petereit einstudierte Chor lieferte jedenfalls nebenbei noch eine Show fürs Auge. Jedenfalls keine (von manch einem Opernbesucher gehassten) Secondhand-Klamotten von heute.

Dass da ein leibhaftiger, nur für Adriana sichtbarer Tod durch die Szene geistert, bleibt Behauptung. Dass Andriy Holoubovskyy bei einer (vom Ballettchef Ralf Rossa choreografierten) Balletteinlage namens Urteil des Paris mit Olga Shalaevskaya nur eine Schöne zur Auswahl hatte, ist geschenkt. Der Rest ist ein Blick zurück in die Geschichte der Oper. Zuzuhören lohnt sich allemal. Und es kann ja jeder selbst entscheiden, ob er das mit einem „Augen auf-“ oder „Augen zu-“ und durch kombiniert. Das Premierenpublikum tendierte zur ersten Variante und jubelte. 

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