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Hörbares Schweigen

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Festival über Evangelisti
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Eine Musik mit „deutlich geränderten Stillen“. Schnebels poetische Wortschöpfung über „Random or not Random – appunti degli anni 1957-62“ erwies sich 36 Jahre nach der Uraufführung eines Werkes, mit dem der Darmstadt-Pilger Evangelisti seine Reverenz „an John Cages erlesene Poetik des Nichts“ abstattete, als treffsichere Beobachtung. Der Höreindruck aus dem Jahr 1963 konnte im Rahmen eines kleinen Franco Evangelisti-Festivals auf seine Stimmigkeit geprüft werden, mit dem die Kölner Gesellschaft für Neue Musik unter Harald Muenz sich einen lang gehegten Wunsch erfüllte, indem sie alte Weggefährten (Hans G. Helms, Gottfried Michael Koenig, Heinz-Klaus Metzger) und neue Sympathisanten (Giordano Ferrari, Antonio Trudu, Thorsten Wagner) zusammenbrachte, um auf diese Weise einen großen Unbekannten der klassischen Avantgarde wieder zu Gehör zu bringen, über den Schweigen verhängt war, nachdem er in ein kompositorisches Schweigen gefallen war. Franco Evangelisti gehört sicher zu den wenigen Komponisten, dessen Gesamtwerk ohne große Zumutungen an die Aufnahmebereitschaft des Hörers, bequem an einem Tag zum Klingen gebracht werden kann. 100 Partiturseiten, das einzelne Werk im Bereich von zehn Minuten – das sind die äußeren Dimensionen dieses schmalen Œuvres. Die Crux liegt indessen in den Anforderungen, die der an seine „Interpreten“ stellt. Die können sich nicht aufs „Spielen“ verlegen. Da entscheidende Parameter in Evangelistis Partituren nicht festgelegt sind, bleiben die Musiker zu einem mitkomponierenden Übersetzen aufgerufen. Im abgedunkelten Vortragsraum des Italienischen Kulturinstituts fiel dieser Part in den Verantwortungsbereich des Ensembles „Krahnenbaum Company Köln“, verstärkt vom „Schlagquartett Köln“. Eine Aufgabe, derer sich die Komponisten-Spieler unter dem Dirigat des jungen, souveränen Jobst Liebrecht bravourös entledigten. Nur angetippt blieben die politisch-philosophischen Implikationen.Einzig die alten Weggefährten Evangelistis ließen es sich nicht nehmen, an die ästhetische Widerstandsseite zu erinnern, mit der die Kunst den Zumutungen eines losgelassenen technologischen Fortschreitens begegnen kann oder eben nicht begegnen kann. Diese zentrale Frage blieb offen, wurde von der Veranstaltungsdramaturgie leider auch nicht ins Zentrum gestellt.

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