Üblicherweise verschicken Opern- und Konzerthäuser schon im Juni ihre Spielpläne für die nächste Saison. Dieses Jahr jedoch ist alles anders. Veranstalter müssen Hygienekonzepte entwerfen und genehmigen lassen sowie längst geplante Programme umplanen, weil großbesetze Werke nach geltenden Sicherheitsabständen nicht realisiert werden dürfen. Findige Verlage verschickten daher schon im Laufe des Frühjahrs neue Kataloge mit Werken für kleine Besetzungen, „die für Aufführungen in der Corona-Krise geeignet sind“.
Die Spielzeit 2020/21 wird folglich geprägt sein von Soloabenden, Kammeropern, Streicher-, Kammer- und Ensemblemusik. Durch abgesagte Aufführungen sind Veranstaltern und Verlagen bis zu 100 Prozent ihrer Einnahmen weggebrochen. Das gleiche gilt für Komponistinnen, Performer, Interpretinnen, die nun immerhin durch die Kulturministerien einzelner Bundesländer und den deutschlandweiten Musikfonds Stipendien erhalten können. Ungewiss bleibt auch der Ausblick auf die neue Spielzeit. Doch gab es und gibt es erstaunliche Aktivitäten.
Eine der ganz wenigen Veranstaltungsreihen, die selbst während des gesamten Shutdown seit Mitte März stattfand, war die Serie „LTK4 – Klangbasierte Künste Köln“. Kuratiert von Rochus Aust fand jeden Mittwoch im Turm der Kölner Lutherkirche eine „Soirée sonique“ in kleiner Runde mit Klanginstallationen, elektronischer Musik, multimedialen Arbeiten und Performances statt. Ende Juli gab es im Turm, Atrium und in der Lutherkirche sogar ein viertägiges Festival mit zahlreichen Ensembles und Aufführungen vom Nachmittag bis in den Abend. Überhaupt fanden mancherorts im Juli und August mehr Konzerte statt als sonst üblich. Etliche Kommunen, Musikveranstalter, Ensembles und Solisten entwickelten kreative Lösungen mit kleinen Besetzungen, reduziertem Publikum, Kurz- und Freiluftkonzerten, die angesichts des warmen trockenen Wetters bestens funktionierten und vom Publikum mit regem Besuch und Applaus dankbar angenommen wurden.
Nun gibt es den ganzen September über in Berlin die vierte Ausgabe des „Monats der zeitgenössischen Musik“. Die Berliner Szene präsentiert verschiedene Ensembles, Richtungen und Formate, Konzerte, Performances, theatrale Arbeiten und Klanginstallationen. Schauplätze sind die großen Konzerthäuser der Stadt und Spielstätten der freien Szene. Zur Eröffnung am 28./29. August gab es neue Werke von Misha Cvijovic und JD Zazie. Bis zum 30. September folgen Uraufführungen von Dennis Sullivan, Petros Ovsepyan, Antje Vowinckel, Orm Finnendahl, Elena Rykova, Chatschatur Kanajan, Liping Ting, Georges Aperghis, Hyun-Hwa Cho, Hilary Jeffery, Ana Maria Rodriguez, Reinhold Schinwald, Alessandra Eramo, dieb13, Paul Frick, Martin Bergande, Christina Ertl-Shirley, Stefan Beyer, Milica Djordjevic, Andile Khumalo und Jan Gerdes. Die Interpreten sind verschiedene Solisten sowie die Ensembles Adapter, mosaik, Elision, Zinc & Copper, Klangforum Wien, Unerhörte Musik, Akademie der Berliner Philharmoniker, Sonar Quartett und das Reanimation Orchestra. Allein acht weitere Novitäten für Kombinationen aus Sopran, Bariton, Klavier und/oder Schlagzeug stammen von René Wohlhauser, Volker Ignaz Schmidt,Adrian Iorgulescu, Ulpiu Vlad, Vlad Razvan Baciu, Henri Pauly-Laubry, Jean-Claude Wolff, Violeta Dinescudas. Das Duo Simolka-Wohlhauser wird diese „Neuen Gesänge aus Europa“ am 20. September zur Uraufführung bringen, hoffentlich wie angekündigt.
Weitere Uraufführungen (ohne Gewähr):
- 03.09.: Heiner Goebbels, A House of Call – My Imaginary Notebook, Musikfest Berlin
- 11.09.: Hans Thomalla, „Dark Spring“, Nationaltheater Mannheim
- 11.–20.09.: Klangspuren Schwaz, neues Werk von Clara Ianotta und Neufassung von Mathias Spahlingers „doppelt bejaht“
- 17.09.: Philipp Maintz, „de figuris für orgel und großes orchester“, Palais des Beaux Arts Brüssel
- 21.09.: Saed Haddad, Michel van der Aa, Georges Aperghis, neue Werke, Ensemble Musikfabrik Kölner Philharmonie
- 24.09.: Vladimir Rannev, Schlachthof, Musiktheater, Europäisches Zentrum der Künste Hellerau
- 25.09.: Oxana Omelchuk, Gordon Kampe, Vincent von Schlippenbach, ELEONORE, eine Befreiungsoper frei nach Beethovens „Fidelio“, Carlswerk Victoria Köln