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Parsifal als Oper für Kinder. Foto: © Festspiele Bayreuth
Parsifal als Oper für Kinder. Foto: © Festspiele Bayreuth
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„Ich will den Gral!“ – „Parsifal“ als Oper für Kinder bei den Bayreuther Festspielen

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Wie lässt sich Wagners vielschichtigstes Werk in eine gut einstündige Oper für Kinder ab 5 Jahren verwandeln? Man eliminiere sämtliche Chöre, die religiöse, soziologische und Regenerationsebene und erzähle die Handlung linear als ein Märchen vom leidenden König, dessen Wunde nur durch jenen Speer geheilt werden kann, der sie schlug. So in der Fassung von Katharina Wagner, Nikolaus Richter und dem Regisseur Tristan Braun.

Im Vorspiel will der leidende König Amfortas den bösen Zauberer Klingsor bekämpfen, aber abgelenkt durch einen Lollypop von Kundry, verliert er seinen Speer und wird verwundet. Vater Titurel beschimpft Amfortas, dass er beim Ritual außer dem Gral, der hier ein wundersamer Stein ist, nicht auch den Speer enthüllt; er unterbricht die Musik „Nein! Herr Kapellmeister! Stop!“. Parsifal erhält von Gurnemanz den Auftrag, den Speer zurückzuholen. Er lässt sich von Konfetti, Luftballons und von geballten Süßigkeiten im Candy-Land der vier Blumenmädchen nicht von seinem Plan abbringen – und auch nicht von einem Candy-Apfel, auf den Kundry ihm einen Kuss gedrückt hat. Er tötet Klingsor und bringt den Speer zu Amfortas; der legt seine blutigen Binden ab, und wirklich, seine große Wunde ist verschwunden. Mit Krone und Mantel wird Parsifal zum Gralskönig erhoben.

Fünf Stunden vor Beginn der offiziellen Festspieleröffnung erlebte die bereits siebte Produktion der ausschließlich durch Sponsoren finanzierten Reihe „Wagner für Kinder“, unter der Künstlerischen Gesamtleitung von Katharina Wagner, auf der Probebühne IV des Festspielhauses ihre Premiere.

Wieder werden nur einige Highlights verkürzt musiziert und gesungen. Wiederholt ergreift Gurnemanz, der ja auch im Original Lehrer- und Erzählerfunktion hat, hier das Wort als Sprecher. Dabei richtet er sich auch wenige Male direkt ans junge Publikum, das ansonsten nicht ins Spiel integriert wird. Dabei benutzt Gurnemanz eine heutige Ausdrucksweise, etwa „Okay, ich bringe Dich zum Gral“, und das nachgesetzte „Na, supergeil, ne!“ löst Lacher aus. Weitere komische Momente dann im dritten Akt, wenn Gurnemanz kommentiert „Kein Personal mehr. Nicht mal Touristen!“, und ebenso, wenn er nach dem Ausruf „Mittag“ fragend auf seine nicht vorhandene Armbanduhr schaut. Klingsor (Kay Stiefermann) ergänzt seinen Gesang durch den Brüller: „Ich will den Gral!“

Im Bühnenbild von Anneliese Neudecker ziehen die Blumenmädchen (Christiane Kohl, Desislava Danova, Karina Repova und Simone Schröder) ein wallendes Tuch über die Köpfe des Publikums auf die Bühne, Klingsor besitzt außer einem Zauberspiegel auch eine goldene Zauberkugel.

Die Kostüme wurden diesmal von den sechsten Klassen des Comenius-Gymnasiums Düsseldorf entworfen. Wie bereits in den drei vorangegangenen Jahren zeichnet der Studiengang Maskenbild-Theater der Bayerischen Theaterakademie August Everding verantwortlich für die Maske.

Vater Titurel (Andreas Hörl) ist auch im dritten Aufzug noch quicklebendig und singt ein paar Choreinsätze. Bei der Enthüllung des Gralssteins wird jeweils die mit einer Fackel angesteckte Verschalung verbrannt.

Kundry (Alexandra Petersamer) hat die Funktion einer Knusperhexe (und auch das Programmheft verweist auf Humperdincks Märchenoper!), mit Ende des zweiten Aktes hat sie, die in der verzuckerten Verführungsszene an Siegfried Wagners Wort vom „Krampfaderngeschwader“ denken lässt, ebenso ausgespielt, wie Klingsor.

Wie in den Vorjahren gefällt Dirigent Boris Schäfer mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Wieder hat Marco Zdralek eine reduzierte Fassung geschaffen, die selten Substanzielles vermissen lässt. Seine Bearbeitung kommt mit einer Flöte bei sonst zweifachem Holz und Blech aus, sowie mit Pauke, Harfe und Streichern in der Besetzung 4-3-3-3-2. Das Gralsglockenklavier der „Parsifal“-Uraufführung von 1881, auf welches das Programmheft in einem Beitrag eigens hinweist, kann das Publikum auf den drei Tribünen allerdings nicht sehen, denn es ist abgewandt neben der Harfe platziert.

Bei „Wagner für Kinder“ wird auch in diesem Sommer beachtlich gesungen, insbesondere von Jukka Rasilainen als dem die Geschichte knapp und heutig vermittelnden Gurnemanz. Und Benjamin Bruns in den wenigen Gesangsmomenten der Titelpartie macht durchaus Lust auf mehr.

Die Premiere erntete dankbaren Applaus, mit Bravorufen und Trampeln. Ein Kind in der Reihe vor mir hatte sich offenbar gut vorinformiert: denn als Titurel, statt aus dem Sarge, für seine ausgeweitete Gardinenpredigt auf einer Empore auftritt, fragte es: „Warum steht denn der da oben?“

  • Weitere Aufführungen:  27., 28.,  29., 30., 31. Juli, 1., 2., 5. und 6. August 2015.

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