Ein Schneesturm, nahezu perfekt! Nur das Windfauchen über die Mikrophone ist etwas störend, dafür aber sehr authentisch. Und es weist auch dezent darauf hin, dass die Konzeption der Ice Music ein Kunstprojekt ist. Zwar betont der norwegische Percussionist Terje Isungset den Naturcharakter seiner Arbeit, schließlich arbeitet er mit einem vergänglichen Material, dem er zusammen mit Gleichgesinnten in Gestalt von Eis-Xylophon, Eishörnern oder auch einem Eiskontrabass rätselhaft ätherische Klänge entlockt.
Trotzdem braucht seine Musik Kulturleistungen vom Kühltruck über die nötige Verstärkung bis hin zum passenden Lichtdesign, um entsprechende Wirkung entfalten zu können. Der Schneesturm, der das Eröffnungskonzert des Out Of The Box Festivals auf der Hoch5-Terrasse im Münchner Werksviertel begleitete, war da noch das atmosphärische Sahnehäubchen, mit dem das Ereignis verziert wurde. „Eigentlich sind wir irgendwie verrückt“, meinte Martina Taubenberger, die künstlerische Leiterin der whiteBOX, dem Kulturraumprojekt im Werk 3, das über das ganze Jahr verteilt außergewöhnliche Kunst-, Musik- und Pädagogikveranstaltungen verwirklicht. „Open Air im Winter oder auch riesige Wassertanks für Unterwassermusik in unsere Räume stellen, das ist eine enorme Herausforderung“.
Aber genau das reizt Taubenberger und ihr Team: etwas anders machen, Leute in die Stadt holen, deren Ideen über den Kulturalltag hinausreichen. Der Eismusiker Isungset hatte für seine Konzerte, die ab dem zweiten Tag wegen Sturmwarnung nach innen umgezogen wurden, grandiose Kollegen wie das Vokal-Trio Mediaeval, die Sängerin Maria Skranes, den Trompeter Arve Henriksen und den Bassist Anders Jormin dabei, außerdem den Bildhauer Eric Mutel, der die Bühne mit langsam schmelzenden Eisfoto-Stelen umrandete. Am zweiten Wochenende verwirklichte der britische Komponist Fraser Trainer zusammen mit zwei Schulklassen und der Education-Division des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks das Multi-Media-Ensembleprojekt „Pastorale re/visited“, das im Geiste der Beethoven’schen Symphonie mit viel Emphase versuchte, den Klimawandel aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler musikalisch hörbar zu machen.
Ereignis Nummer drei war das Wochenende von Aquasonic, dem Unterwassersoundspektakel von Between Music, das die dänische Komponistin, Sängerin und Konzeptkünstlerin Laila Skovmand entwickelt hat. In fünf szenisch illuminierten Wassertanks in der abgedunkelten whiteBOX wurde musiziert, auf verschiedenen Schellen, Trommeln, Glasorgel, einer Karbongeige, einer modifizierten Drehleier und eigens erfundenen Wasserinstrumenten. Für Skovmand ist Aquasonic eine Basisinszenierung des Menschlichen, der Einheit mit dem Klang im all umfassenden Medium Wasser. Für die Zuhörer war es eine faszinierend entrückte Soundmeditation mit eindrucksvoll optisch und akustisch in Szene gesetzten Sinneseindrücken, eine Art musikalische Uterus-Erfahrung, deren schwebende, fluide Langsamkeit gängigem Hörerleben entgegenstand. Am Ende schließlich mündete es noch in digitale Poesie, die Osmose der Musik im Kosmos des Viralen. Ein Festival, das etwas anderes macht. Out Of The Box – das Ganze verrückt, aber inspirierend.