In Sachsen werden gerade die Finanzen der Bühnen neu verhandelt. Bei der Mischfinanzierung der Träger müssen da Städte, der Landkreis und die Landesregierung Farbe in Sachen Kultur bekennen. Generalintendant Dirk Löschner sagte nach der Vorstellung, dass die Stadt Zwickau in dieser Frage schon mit gutem Beispiel vorangegangen ist. Es wäre auch kaum nachvollziehbar das gerade aufpolierte Gewandhaus, als Spielstätte mitten in der Stadt, künstlerisch auszutrocknen. Wenn es eines Beleges bedurft hätte, wie leistungsfähig das Theater Plauen Zwickau in Sachen Musiktheater ist, dann ist die neue „Salome“ dafür bestens geeignet.
![Anthony Webb, Małgorzata Pawłowska. Foto: ©André Leischner Anthony Webb, Małgorzata Pawłowska. Foto: ©André Leischner](/system/files/styles/nmz_hero_xs_1x/private/image/salome-ohp-0309-20250205_c2a3263_2400_prss.jpg?h=8840996f&itok=Kl1G3Ss2)
Anthony Webb, Małgorzata Pawłowska. Foto: ©André Leischner
Im Weinberg der Musik – Im Gewandhaus Zwickau überzeugt das Zweistädtetheater Plauen-Zwickau mit Richard Strauss’ „Salome“
Der Operndirektor des Hauses Horst Kupich und der GMD der Clara-Schumann-Philharmoniker Leo Sibersiki haben den Richard-Strauss-Einakter mit Schockerpotenzial für das Gewandhaus in Zwickau maßgeschneidert. Und damit nicht nur nebenbei bewiesen, dass dieser Wurf aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts auch für kleinere Häuser zu stemmen ist.
Es hat durchaus seine Vorzüge, wenn sich ein Inszenierungsteam nicht auf ein aufwändiges historisches Bühnenbild-Ambiente herausreden kann, sondern sich kreativ auf die Geschichte konzentrieren muss. Im speziellen Fall ist das identisch mit einer Konzentration auf die Musik. Die ist hier auf ungewohnte Weise nicht nur Fundament, sondern auch selbst Bestandteil der Inszenierung.
Ausstatterin Cornelia Just hat das Orchester und seinen Dirigenten nicht einfach auf der Bühne platziert, so dass man ihnen bei ihrer Arbeit zu sehen kann. Sie hat ihnen einen Weinberg gebaut, in den auch ein schmaler Weg mitten durch in das Verließ des gefangenen Jochanaan hinein führt. Sozusagen hügelan. Der Orchesterberg sieht einfach aus, braucht aber zwei Tage Aufbauzeit und entsprechendes Dispositionsgeschick für den laufenden Betrieb. Der Weg aus dem und in den Palast des Herodes führt dagegen in die Tiefe (des überbauten Orchestergrabens). Wenn man so will in einen Abgrund von Verworfenheit des Königspaares und des Dauerstreits einer Tischgesellschaft, bei der sich die Juden nicht nur bei religiösen Fragen in die Haare kriegen. Sie fordern von Herodes auch die Auslieferung des Gefangenen.
Das Personal spielt und singt mit dem Dirigenten im Rücken und bewältigt die Tücken, die eine solche Konstellation natürlich auch hat, professionell über den Kontaktumweg via Bildschirm.
Die Kostüme sind heutig – Narraboths Waffe ist eine Kalaschnikow. Mit der drischt er – wohl auch aus Eifersucht oder Selbsthass – ziemlich aggressiv auf den Propheten ein, als der auf Salomes Befehl hin mit ausgebreiteten Armen und freiem Oberkörper seinen predigend fluchenden Auftritt hat. Salome umkreist ihn zunächst lauernd und staunend. Für wenige Augenblicke einer Berührung schafft sie dann sogar, diesen Glaubensfanatiker in seiner Enthaltsamkeitsobsession zu verunsichern. Für Narraboth ist das zu viel – er erschießt sich. Wonjong Lee kann in dieser Rolle zwar nicht die angehimmelte Prinzessin mit seinem Schmachten überzeugen, wohl aber das Publikum. Joanna Jaworowska ringt dennoch als Page, wie immer vergeblich, um Narraboths Gunst. Aus der Schar der kleineren Rollen ragt Gabriel Wernick als Nazarener und als Soldat heraus.
![Deniz Yetim, Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau. Foto: © André Leischner Deniz Yetim, Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau. Foto: © André Leischner](/system/files/image/salome-ohp-1322-20250205_l5d4157_2400_prss.jpg)
Deniz Yetim, Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau. Foto: © André Leischner
Im Zentrum des Geschehens, das sich im intimen Rahmen von Nähe zueinander und zum Publikum vor dem Orchester abspielt, hebt sich das Königspaar optisch von den übrigen ab. Besonders Herodias will auffallen und (immer noch) ihren Mann verführen. Nicht nur ihr Pfauenkleid ist ein Hingucker. Deniz Yetim setzt dabei ihr betörend dunkles Timbre pointiert ein und macht aus ihrer Rolle ein darstellerisches Kabinettstück. Anthony Webb ist der in jeder Hinsicht bewegliche Herodes. Die beiden passen zusammen.
Als Jochanaan setzt Johannes Schwarz vokal seine viril transparente Wucht und seine Erscheinung so ein, dass die nicht nur bei Salome verfängt. Am Ende ist eine „Salome“, aber so gut wie ihre Titelheldin. Und da bleiben bei Małgorzata Pawłowska keine Wünsche offen. Mit intensivem Ausdruck und einer geradezu akrobatischen Tanzeinlage (Choreograph ist Sergei Vanaev) ist sie das vokale und emotionale Kraftzentrum der Produktion.
Mit der Kalaschnikow von Narraboth im Anschlag verkehrt Salome ganz am Ende die letzten Worte des Herodes „Man töte dieses Weib“ in ihr Gegenteil. Sie erschießt nämlich ihrerseits Herodias und Herodes und bleibt selbst am Leben. Ein heute immer mal gemachtes Angebot der Regie zum Nachdenken, über eine perverse Mörderin, die selbst ein Opfer ist und sich wehrt? Nach dem packenden Kammerspiel in Zwickau wäre auch die Ausführung des Herodes-Befehls plausibel gewesen. Wie dem auch sei: mit einem expressiven Kammerspiel der Obsessionen überzeugt ein Ensemble, das zusammen mit dem Orchester ein mitreißendes Opernereignis lieferte. Vom Publikum wurde das ausgiebig bejubelt.
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