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Der Rosenkavalier 2014 • Sophie Koch (Octavian), Mojca Erdmann (Sophie), Silvana Dussmann (Leitmetzerin)  Foto: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Der Rosenkavalier 2014 • Sophie Koch (Octavian), Mojca Erdmann (Sophie), Silvana Dussmann (Leitmetzerin) Foto: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
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Ist ein Traum und kann wirklich sein … – Bei den Salzburger Festspielen präsentieren Regie Altmeister Harry Kupfer und Franz Welser-Möst einen „Rosenkavalier“ der begeistert

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Erst hatte Franz Welser-Möst genug vom expandierenden Festspielzirkus. Festspielintendant Alexander Pereira hält damit in Salzburg ja bekanntlich nicht bis ans Ende seines Vertrages durch. Er wechselt vorzeitig nach Mailand an die Scala, ist aber auch da schon wieder ebenfalls vorzeitig gekündigt worden. Den Italienern war es einfach zu dreist, dass er mit ihrem Budget seinem vorherigen Arbeitgeber Produktionen abkaufen wollte, um die dort entstandenen Lücken zu schließen …

Dass sich der für den Opernzweig der Wiener Philharmoniker zuständige Dirigent nun doch besonnen und den „Rosenkavalier“ übernommen hat, wurde freilich zu einem musikalischen Glücksfall für den aktuellen Festspieljahrgang! Auch, weil sein mitunter ja eigenwillig agierendes Orchester mitzog, als würde es sich bei diesem Strauss erholen.

Dass der Altmeister des DDR- Regietheaters in der Nachfolge von Walter Felsenstein Harry Kupfer inszeniert hat ist der zweite Glücksfall. Gerade aus dem „Rosenkavalier“ kann man nämlich schnell ein übersüßes Zuckerstück machen. Oder es mit zeitgeistiger Überfracht in seiner kunstvoll, künstlichen Balance beschädigen.

Man ist halt, was man ist, und braucht’s nicht zu beweisen, sagt der der alte Schwerenöter Baron Ochs auf Lerchenau zum 17jährigen, noch grünschnäbligen, in Sachen Frauen auch schon ziemlich rührigen Grafen Octavian, als der ihn herausfordern will. Gerade eben hat der Jüngere als Rosenkavalier die Hochzeit des Älteren mit der jungen Sophie Faninal durch die Übergabe der silbernen Rose vorangebracht, die den verarmten und ziemlich runtergekommenen Landadligen sanieren will. Und schon will er selbst am liebsten der Bräutigam werden. Dabei hatte er noch am Morgen dieses Tages seiner Geliebten, der verheirateten, doppelt so alten Marie-Therese ewige Liebe geschworen. Und war fast beleidigt, als die ihm voraussagte, dass er sie heut oder morgen wegen einer anderen, schöneren, vor allem aber jüngeren Frau verlassen würde.

Dieses „man ist halt, was man ist, und braucht’s nicht zu beweisen“, das haben sich offenbar auch Kupfer und sein Stammbühnenbildner Hans Schavernoch gesagt. Die müssen natürlich niemandem nix beweisen, sondern können es sich leisten, mit einer man möchte fast sagen konventionellen Erzählweise zu verblüffen. Dabei kommt nicht nur dennoch faszinierendes und beglückendes Musiktheater heraus, sie schaffen es sogar, aus der hinterhältigen Übergröße der Breitbandbühne im Großen Festspielhaus einen Vorteil zu machen. Schavernoch hat alle Unarten, die seine Bühnenbilder manchmal aufweisen, weggelassen. Und betörend schöne, man muss schon sagen Fotogemälde, die jedem Wienfan das Herz höher schlagen lassen, als bühnenfüllende Hintergrundprospekte fabriziert.

Den Blick auf die Kuppel der Hofburg aus dem Schlafzimmer. Fassaden mit Gaslaternen. Das Interieur der Ring-Prachtbauten wie dem Kunsthistorischen Museum als Palais der neureichen Faninals. Baumalleen aus dem Prater. Das ist in der Kombination mit ein paar Möbeln und Portalen so grandios, wie das Prater Beisl vor dichtem Grün im dritten Aufzug anheimelnd. Diese wechselnden Bilder werden in ihrer puren Größe zum genialen Kunstgriff, um auf der übergroßen Bühne dennoch intim wirkende Räume zu schaffen.

Etwas ist bei Kupfer natürlich doch anders und besonders. Für seinen Baron Ochs bleibt Günther Groissböck so jung und attraktiv wie der Sänger wirklich ist und der Ochs bei Strauss eigentlich sein soll. Hier ist er (endlich) mal ein glaubwürdiger Don Juan vom Lande. Entscheidend freilich ist seine Perspektive auf das Prunkstück des kongenialen Dichter – Komponisten Duos Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss: er schaut auf das Uraufführungsjahr nicht von heute aus (also mit dem Wissen um die 1914 hereinbrechende Katastrophe) sondern quasi von der Perspektive einer vergangenheitseligen Epoche über der der blaue Himmel eines langen Friedens schien. Dieses  genial erfundene 18. Jahrhundert Wien funktioniert so eben auch, wenn es durch Architektur und Kostüme in die Entstehungszeit verlegt ist. Und nicht mit dem Wissen um die damals bevorstehende Zukunft überblendet wird.

In diesem Rosenkavalier stimmt aber auch – und das ist eine fast noch größere Leistung – die musikalische Balance zwischen Graben und Bühne, wo ein Ensemble beisammen ist, das vom (neben den Dresdnern) wohl besten Strauss-Orchester der Welt auf Händen getragen wird und so die Salzburger Eintrittspreise tatsächlich mal rechtfertigt. Musikalisch gehört dieser Rosenkavalier in jeder Hinsicht zum Besten, was seit langem im Großen Salzburger Festspielhaus zu erleben war.

Alle vier Hauptrollen sind optisch und vokal grandios besetzt. Krassimira Stoyanovas Feldmarschallin ist wahrhaft fürstlich, Sophie Kochs Octavian wunderbar jungmännlich, die Sophie von Mojca Erdmann die verführerische, selbstbewusste  Zartheit pur. Sie alle sind einzeln, als wechselnde Paare und im Terzett der pure Strauss-Traum. Der Ochs Günther Groissböck eine Klasse für sich – jede Nebenrolle exzellent profiliert. Es ist ein Traum, der wirklich ist.

Die Festspiele also mal ganz  bei sich und das Publikum (inklusive der deutschen Kanzlerin auf Opernurlaub) begeistert! Die verstörenden Hinterfragungen gibts dann wieder außerhalb der Festspiele. Wie demnächst in Kassel, in Weimar und anderswo!

Der ORF hat mitgeschnitten – am 18. August um 22.00 kann man bei ORF 2 und am 21. August um 22.45 auf BR auch daheim dabei sein.

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