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v.l. Karmela Shako, Matthias Koziorowski, Abdoul Kader Traoré. Chor der Oper Halle. Foto: Bühnen Halle / Falk Wenzel
v.l. Karmela Shako, Matthias Koziorowski, Abdoul Kader Traoré. Chor der Oper Halle. Foto: Bühnen Halle / Falk Wenzel
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Jenseits von Afrika – An der Oper in Halle geht die „L’Africaine“ in die dritte Runde

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Nicht ganz glücklich ist unser Kritiker Joachim Lange mit Teil 3 der Meyerbeer-Adaption von „L’Africaine“ an der Oper Halle. Er meint, „dass Meyerbeers Grand opéra, an sich klüger ist, als diese Art von dazwischen grätschender Dekonstruktion.“

Meyerbeer-Häppchen als Wiederholungsschleife. L’Africaine die Dritte, Untertitel Reinigung. Diesmal mit Karen Leiber als eine Vertretungs-Sélica. Mal eine vokale Abwechslung zur Hausbesetzung, die durch fokussierte Ruhe und kultiviertes Leuchten aufhorchen lässt. Wieder mit dabei ist u.a. Matthias Koziorowski als ein Vasco da Gama im Turbogang. Der hat – wie der Chor diesmal auch – „tragende“ Sprecheinlagen.

Auch der dritte Teil dieses Projektes bleibt in seinem Mix aus Grand-opéra Stückwerk und politisch engagiertem Off-Theater eine Art Fortsetzung des experimentierenden „Kunstwerkes der Zukunft“ an diesem Haus. Nur eben nicht als kleine Form, sondern für die Raumbühne. Mit großem Einheitsthema – Entkolonialisierung des Denkens, Rassismus in Europa, Rettung der europäischen Oper durch den Blick und den Beitrag von außen. So in der Preislage.

In Quizform. Als Mitmachtheater

Wieviel Kolonien hatte Deutschland in Afrika? Wer war Lothar von Trotha? Und wieviel Tote haben des Kaisers Truppen in Deutschsüdwest auf dem Gewissen? Wer auch ohne die seit einiger Zeit ins Unsichtbare entschwundene öffentliche Werbung den Weg zum ambitionierten L’Africaine-Projekt der Oper Halle fand, der konnte diesbezüglich mögliche Bildungslücken füllen. In Quizform. Als Mitmachtheater. 

Aber in der Melange aus gut gemacht und gut gemeint bleibt auch dieser Abend ziemlich klar auf der Seite von gut gemeint. Neben der übersichtlichen Zahl der Protagonisten-Auftritte singt auch der Chor und spricht Passagen. Skandierende Selbstreflexion. Jedenfalls versucht er es.  

Man kann den Schauspiel- und Performer-Gästen der Produktion, die diesmal wie Raumfahrer aus der Zukunft kommen und in der deklarierten Afrikanisierung der angeblich seit 100 Jahren museal verstaubten europäischen Oper den Weg zu deren Rettung sehen, kaum zum Vorwurf machen, dass sie da wohl doch einer Selbsttäuschung erliegen. Es gibt ja tatsächlich Überlebenswichtigeres, als die Vielfalt der Oper als modernste, weil multimediale Kunstform ausgewogen zu beurteilen. Erst recht kann man Lionel Poutaire Somé und seinen Mitstreitern nicht vorwerfen, keine wirklich belastbaren Antworten auf die ungelösten Fragen des kolonialen Erbes in unseren (und ihren) Köpfen und in den Strukturen der globalen Verflechtungen zu haben. Wer hat die schon. 

Aber manchmal befremden auch ihre Fragen: „Holocaust oder Sklaverei wo liegt der Unterschied?“ Wollen wir das in Deutschland wirklich ernsthaft diskutieren? Es leuchtet auch nicht ein, mit einem Film über Ratten und ziemlich degenerierte Weiße ein Liebesduett zu konterkarieren. Vom Ekeleffekt mal ganz abgesehen, gibt es eben auch da historische Beispiele, die zumindest zur gedanklichen Vorsicht mahnen (sollten). Selbst wenn es ein Heimzahlen mit gleicher Münze wäre, bliebe es genau die gleiche Münze.

Im Grunde kommt auch bei diesem Teil unterm Strich heraus, dass Meyerbeers Grand opéra, an sich klüger ist, als diese Art von dazwischen grätschender Dekonstruktion. Die Geschichte, die Meyerbeer auf die Bühne bringt, geht mit ihrem Versuch, die Wirkung von religiösen oder geschichtlich kulturellen Unterschieden, hier wie dort, zu zeigen, deutlich weiter als der hinzugefügte Teil, der mit einem expliziten Aufklärungstheater Entlarvung suggeriert, wo zumindest im gesellschaftlichen Mainstream-Diskurs ein Teil der Arbeit schon getan ist. (Natürlich ist es nicht unmöglich, dass einer Frau mit afrikanischer Lockenpracht einfach so in die Haare gegriffen wird. Aber passiert das wirklich an fast jeder Ecke, fast jeden Tag? Der Alltagsrassismus ist wohl subtiler und schlimm genug.)

Die Formen mischen sich nicht

Ein Problem des Projektes bleibt, dass sich die Formen nicht zu etwas Neuem mischen, sondern aneinander abperlen. Die einen kommen mit aufklärerischem Anlauf und rennen, wenn es ein muss, auch schon mal durch weit offen stehende oder zumindest nicht verschlossene Türen. Die anderen verteidigen die Oper, wenn auch mit schlechtem Gewissen und recht defensiv. Wenn der Vasco-Sänger plötzlich aus seiner Rolle tritt und in einer überzogenen (gleichwohl nicht falschen) Tirade das europäische Kulturerbstück Oper und sein zu Abstraktion fähiges Publikum verteidigt, krönt er das mit dem Ausruf: wir befinden uns hier in der Oper, also im Musiktheater. Und nicht „im durch Videokunst geschwängerten Sprechtheater mit musischer Untermalung!“ Da applaudieren das Publikum und selbst die Musiker im Graben spontan. Auch wenn sie auf diese Produktion bezogen, damit recht haben mögen, meistens ist das, was auf der Opern-Bühne gerade in Halle passiert, dem Gesamtkunstwerk näher, als manch einer mit diesem Prima-la-musica-Beifall wohl einfordert. Vorerst jedenfalls noch.

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