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Keep ON going!

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Jubiläumskonzerte anlässlich zehn Jahre Netzwerk „ON – Neue Musik Köln“
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Von den ehemals 15 Initiativen, die das „Netzwerk Neue Musik“ der Kulturstiftung des Bundes von 2008 bis 2011 bundesweit förderte, existieren heute nur noch sieben, teils stark reduziert. Dabei hatte die Ausschreibung seinerzeit neben Netzwerkbildung und Vermittlung zeitgenössischer Musik auch die Schaffung nachhaltig wirkender Strukturen gefordert. Doch wer vermag schon eine solche Hypothek auf die Zukunft zu decken? Für Köln erwies sich der damalige Wink mit frischem Geld in jedem Fall als rettender Anstoß zu einer Kehrtwende. Der Glanz der einstigen „Welthauptstadt der Neuen Musik“ war längst Vergangenheit, und die trübe Gegenwart siechte unter Streichungen, Abwanderungen, Überalterung, Stagnation, Konzeptlosigkeit. Allen Unterschieden, Zwistigkeiten und Vorbehalten innerhalb der Szene sowie zwischen Freiberuflern und Institutionen zum Trotz fanden sich schließlich 35 Spielstätten, Vereine, Veranstalter und Ensembles zu einer gemeinsamen Antragstellung zusammen. Die Aussichten waren einfach zu verlockend.

Das Kulturamt der Stadt und die RheinEnergie Stiftung hatten zugesagt, den Höchstbetrag des Bundes von achthunderttausend Euro in gleicher Höhe mitzufinanzieren. Das war ein Trumpf, der stach! Ab 2008 flossen vier Jahre lang insgesamt 1,6 Millionen Euro in die Kölner Szene der neuen Musik. Die verödete Steppe trieb wieder Blüten. Und da die Stadt auch über 2011 hinaus ihren finanziellen Anteil aufrechterhielt, zudem ihren gesamten Kulturetat erhöhte und mittels eines Musikförderkonzepts die freie Szene besserstellte, konnte das Angestoßene weiter gedeihen. „ON – Neue Musik Köln“ entwickelte sich – auch dank zusätzlich eingeworbener Drittmittel – zur Schnittstelle für Information, Kommunikation, Marketing, Kontakt, Produktion und Präsentation. Als Agentur, Beratungsstelle und Schauplatz ist ON heute die zentrale Anlaufstelle für alle freiberuflich im Bereich der Neuen Musik sowie angrenzender Sphären arbeitende Kölner Künstler, Ensembles, Kollektive und Vereine: divers, flexibel, mobil, partizipativ, interkulturell, transmedial …

Unter dem queren Motto „Make Some Neues“ feierte ON jetzt sein zehnjähriges Bestehen. Das von Geschäftsführer Daniel Mennicken und dem nun leider ausgeschiedenen Projektmanager der ersten Stunde Manuel Schwiertz organisierte zweitägige Festival bot unterschiedliche Formate, Stilistiken und Werke alter und junger Komponisten unterschiedlicher Herkunft. Den Anfang machte Mauricio Kagels „Variété“ von 1977 im Gedenken an den vor zehn Jahren verstorbenen Pionier des instrumentalen Theaters. Das auf Decken, Kissen und Stühlen gelagerte Publikum erlebte statt hehrer Kunst ein buntes Straßentheater mit Pantomimen, Tänzern, Schauspielern, Laien-Akrobaten, Videos. Das „Concert-Spectacle für Artisten und Musiker“ wirkte in der Regie von Nicola Gründel allerdings mehr additiv als intensiv, da vieles belanglos blieb und zu beiläufig geschah. Als kleine Tanzkapelle mit Habanera, Tango und reichlich Saudade Argentina unter ebenso akkurater wie espritvoller Leitung von Mariano Chiacchiarini spielte das Ensemble Garage, das einst in der ON-Konzertreihe „Schlüsselwerke der neuen Musik“ 2009 sein Gründungskonzert gegeben hatte.

Als weiteren Jubilar feierte das Forseti Saxophonquartett den achtzigjährigen Dimitri Terzakis. Der griechische Komponist war 1965 zum Studium bei Bernd Alois Zimmermann nach Köln gekommen. Gleich drei seiner Werke demonstrierten das für sein Schaffen typische horizontale Komponieren melodischer Linien nach dem Vorbild byzantinischer und orthodoxer Gesänge. Im Konzert des Trio Catch war als dritter Altmeister Helmut Lachenmann mit „Allegro sostenuto“ vertreten. Die dezent hallige Kunst-Station Sankt Peter brachte dabei alle Klanghalte- beziehungsweise Sostenuto-Effekte wie unter einem akustischen Vergrößerungsglas zu Gehör. Die drei exzellenten Musikerinnen spielten außerdem als Uraufführungen Zaneta Rydzewskas „under“, wo klirrende Klangexplosionen mit körperlos durch den Raum schwebenden Liegetönen oszillieren, sowie Vladimir Guicheff Bogaczs „iqualito“ mit auf der Klarinette sich vergreifender Pianistin und Cellistin.

Zu den sechs Uraufführungen gehörte auch „Through“ von Ioannis Gerhard Paul, ein spannungsvoller Kontrast von gleichbleibenden Pulsationen und schnell wechselnden Atemgeräuschen und Mehrklängen. Schlagzeugerin Rie Watanabe präsentierte Timothy McCormacks zwischen nüchterner Materialstudie und magischer Alchemie changierendes „porcelain body“, das bei äußerlicher Reduktion einen umso größeren Reichtum an Resonanzen und Obertönen entfaltete. In Luís Antunes Penas „An der Grenze, das Gedächtnis“ zauberte Kontrabassist Florentin Ginot strahlende Konsonanzen zu geräuschvoll kreisenden Loops aus fünf Megaphonen. Und Georgia Koumara mischte in ihrem „Don’t Worry“ – von Organist Dominik Susteck gestisch packend gespielt – die ungewöhnlichen Schlagwerkregister der Spezialorgel von Sankt Peter raffiniert mit ähnlich klirrenden Tonkomplexen. Keep ON going!

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