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Frau ohne Schatten in Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof
Frau ohne Schatten in Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof
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Kein Schatten, keine Kinder, aber: Golden Gate in Leipzig

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Schöne Stimmen zum Strauss-Jahr, da lässt sich die Oper Leipzig nicht lumpen. Auch nach dem 150. Geburtstag wird hier noch gefeiert und „Die Frau ohne Schatten“ vor allem als musikalisches Ereignis zelebriert.

Als an der Oper Leipzig zum Auftakt ins Richard-Strauss-Jahr Peter Konwitschnys Inszenierung der „Elektra“ wieder hervorgeholt wurde, klang das Gewandhausorchester noch überraschend ungepflegt und wollten sich weder Straussens Schroffheit noch dessen Brillanz einstellen. Wie ausgetauscht nun tönte es aus dem Graben, als drei Tage nach dem Geburtstag „Die Frau ohne Schatten“ als nachträgliche Gabe gereicht wurde. Die Premiere dieser Neuproduktion sollte sich vor allem zum Musikfest gestalten.

Der Intendant und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer hat dazu teuer eingekauft und offenbar fleißig arbeiten lassen. Ein Orchesterklang, der Straussens würdig ist, eine Lust am Gestalten, die aus den Stimmgruppen wirkliche Stimmungen zaubert, also das Lyrische ebenso wie den schrundigen Kraftakt beherrscht. Ein Orchesterapparat, der so konzentriert wie spielfreudig seiner Sache frönt, ein Dirigent der die teils harschen Verbindungen zwischen klanglicher Süße und herber Rauheit geschickt ineinanderzuflechten versteht, der obendrein den Sängern in ihren berserkerhaften Partien nicht nur wohltuend beisteht, sondern ihnen den sicher geleitenden Teppich auslegt, das alles erfüllt die höchsten Erwartungen, die an diesem Ort an solch eine Premiere zu stellen sind.

Natürlich kann das Haus nur punkten, wenn eine Doris Soffel als Amme anreist und mit machtvollem Mezzosopran Bühnenpräsenz zeigt, wenn ihr zur Seite Simone Schneider und Jennifer Wilson als Kaiserin und Färberin gastieren und beide Sopranpartien so emotional vielschichtig wie höhensicher gestalten, wenn neben dieser exzellenten Damenriege die männlichen Hauptparts von Burkhard Fritz mit tenoraler Fanfare und Thomas J. Mayer mit baritonaler Wohligkeit als Kaiser und Färber adäquate Präsenz bieten und wenn auch die hauseigene Besetzung in den „kleineren“ Partien auf diesem Niveau mithält. Vor allem dem Opernchor gelingt dies ohne Ausnahme, er wurde von Alessandro Zuppardo bestens auf diesen Strauss geeicht.

Für die Inszenierung dieses rätselhaften Stücks Musiktheater, mit dem Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ihren Dresdner „Rosenkavalier“-Triumpf möglichst fortsetzen wollten, wurde Balácz Kovalik nach Leipzig geholt. Der gebürtige Ungar und derzeitige Leiter des Musiktheater-Studiengangs an der Bayerischen Theaterakademie August Everding hat mit überbordender Fantasie die Rätsel übersetzen wollen, vor allem wohl, um den der Welt entrückten Wesen – die Kaiserin ist Tochter eines Geisterkönigs, der Kaiser hat sie als Gazelle erlegt, nun ist sie zwar Frau, kann aber keine Kinder gebären – menschliche Seiten abzugewinnen. Das gelingt ihm im Kaiserpaar, das gelingt bei den Färbersleuten, deren aus Fleiß und Geifern bestehender Alltag zu rühren anhebt. Selbst die Amme in teuflischem Rot gewinnt mit ihrer Intrige menschliche Züge.

Fischlein als Schwärme der ungeborenen Kinder

Um Schattenwurf und Kindertraum gebührend auszukosten, haben sich Regisseur Kovalik und seine Bühnenbildnerin Heike Scheele eine ganze Reihe von Spielorten einfallen lassen. Ob eine Szene vom Opernball, wo die Färberin rasch als Cindy von Marzahn geoutet wird, wirklich der Enträtselung dient, sei dahingestellt. Ansonsten sind die Kostüme von Sebastian Ellrich geschmackssicher und funktional. Überzeugender aber sind die Welten zwischen Großstadtghetto – Barak der Färber betreibt hier einen Handel mit ausgedienten Fernsehgeräten – und Bildhaueratelier. Dort ist der Kaiser nah am vorhergesagten Versteinern, dort sind hinter großen Fenstern aus Glasbausteinen aber auch jede Menge Fischlein zu sehen, ein stimmiges Bild für die Schwärme der ungeborenen Kinder.

Dass die nach dem glücklichen Ausgang nun wohl doch bald zur Welt kommen werden, sollen knapp zwei Dutzend bunte Kinderwagen suggerieren, die zum Schluss an die Rampe rollen, nachdem die Amme ihre diabolischen Grenzüberschreitungen nicht übersteht und von einer nur für diesen Moment errichtenen Brücke à la Golden Gate in die Bühnentiefe stürzt.

Heftiger Beifall zur Leipziger Premiere just am 90. Geburtstag von Joachim Herz, der „Die Frau ohne Schatten“ hier zuletzt vor knapp 50 Jahren inszeniert hatte. Nun ist eine frische Version Strauss in Leipzig zu sehen.

  • Termine: 21., 24. und 28.6.2014

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