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Keine Pianisten aus dem Zedernland

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3. Berliner Klaviertage „Tasten“ mit einem fragwürdigen Libanon-Schwerpunkt
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Ob es im Libanon Pianisten gibt? Der Umstand jedenfalls, dass die Berliner Klaviertage, die vom 19. bis 21. Mai zum dritten Mal stattfanden, einen Libanon-Schwerpunkt setzten, lässt das vermuten. Womit diesem Festival allerdings ein Maß an Logik und Schlüssigkeit unterstellt ist, das es zumindest in diesem Jahr nicht verdient. Eine ganze Reihe von Musikern aus dem Libanon nämlich waren dort zu hören, nur eben keine Pianisten.

Nun mag man das ja verstehen, denn es dürfte wohl kein Instrument dem arabischen Kulturkreis so fremd sein wie das Klavier, dieses durch und durch unmobile, schematisch-rational konstruierte und tonmodulationsunfähige Instrument. Aber warum dann ein Libanon-Schwerpunkt? Ganz einfach: In diesem Jahr waren die Klaviertage ein verkapptes Festival für improvisierte Musik, mit heftiger Beimischung von Zutaten eines Kunstfestivals.

Nun sind die Initiatoren der Klaviertage, Magda Mayas und Michael Wilhelmi an Berliner Musikhochschulen ausgebildete Pianisten. Im letzten Jahr haben sie eine stattliche Zahl erstklassiger Interpreten verschiedener Strömungen zwischen Jazz, Neuer Musik und Improvisation eingeladen, fast mochte man von einem pianistischen Gipfeltreffen sprechen. Was die Erwartungshaltung natürlich hob, doch dieses Jahr sind die beiden etwas auf die schiefe Bahn geraten. Und wie um diese Entgleisung perfekt zu machen, hat dann auch noch der angekündigte Stargast, Frederic Rzewski, kurzfristig abgesagt. Mit ihm entfiel der einzige Beitrag Neuer Musik, denn Rzewski sollte die Erstaufführung von Christian Wolffs „Long Piano“ spielen.

Gleich der erste der drei Abende zeigte die Schwächen, aber auch die Möglichkeiten dieses Festivals exemplarisch: Im Vorraum der Sophiensaele, einem Gründerzeitbau in Berlin-Mitte, bekam man zunächst einige offenkundig von Beiruter Alltagsthemen bestimmte Zeichnungen zu sehen. Weiter ging es mit Kurzfilmen des Beiruter Künstlers Raed Yassim, die man auch ohne cineastische Fachkenntnis als recht belanglos bezeichnen darf. Am Nachmittag hielt zudem die englische Musikerin Alwynne Pritchard einen kleinen Workshop für Berliner Musikstudenten ab. Das Resultat war eine von Pritchard dirigierte Gruppenimprovisation, die leidlich anhörbar war, es gab sogar ein paar Klaviertöne. Allerdings war von Spannung, Festivalstimmung oder ähnlichem noch nichts zu spüren, keiner wusste so recht, ob es denn nun schon losgeht.

Dann der Schock: Die junge Pianistin Natalia Ehwald betritt den eben noch so verstörend unverbindlichen Ort, setzt eine schier atemberaubende Interpretation von Schumanns Kreisleriana in die von pittoreskem Verfall gezeichneten Sophiensaele. Unglaublich, wie sich diese Frau mit Hingabe um jede Tonschattierung müht. Sie ringt, und zwar sowohl mit Nervosität als auch mit unverstelltem Ausdruckswillen, was bei ihr wohl so ziemlich das Gleiche ist. Schumanns Zyklus erlebt man so wie eine aus Schweiß und innerer Glut geschaffene Improvisation, dabei aber entwaffnend natürlich und schlicht-geradeheraus gespielt. Danach wagt es Michael Wilhelmi doch glatt, über die Kreisleriana zu improvisieren. Ein lästerliches Unterfangen zweifellos, aber in so stupender Virtuosität und Energiefülle realisiert, dass man ihm das gerne nachsieht. Nur wenige Pianisten beschäftigen sich ja intensiv und erfolgreich mit derlei thematisch orientierter Improvisation, nur wenige können das. Wilhelmi hat Gesten, poetische Programme und Kompositionsstrukturen der Kreisleriana studiert und seine reichen Funde dann in eigenwilliger Weise umgesetzt. Schön, dass auch eine CD-Einspielung mit den beiden jungen Musikern geplant ist.

Nach diesem Höhepunkt hatten es andere Musiker sichtlich schwer. Der italienische Pianist Alberto Braida wirkte in seinen Improvisationen recht flach und ideenlos. Tisha Mukarji erzeugte im Inneren von zwei Flügeln traumhaft schöne, elektronisch leicht verstärkte Klänge, denen aber jede Tendenz zur Formbildung abging, was die Sache langatmig machte. Von allen Improvisationskonzerten noch am gelungensten war ein Quartettauftritt mit dem amerikanischen Schlagzeuger Michael Zerang, der seine Felle in beeindruckend vielfältiger Weise zum Klingen brachte. Trotzdem: Bitte im nächsten Jahr wieder ein reinrassiges, klar fokussiertes Klavierfestival.

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