Vier farbige Ohrstöpsel, eine CD mit bayerischer Blasmusik, mehrere zusammensteckbare Ohrmuscheln – ausgebreitet neben der Tastatur sind diese Give-aways sichtbare Relikte einer Uraufführung des Musiktheaters „20 Vertrauensgüter“ von Hannah Groninger, Gerd Knappe und Johannes Kreidler in Berlin. Ferner erinnert der Staub auf den guten Schuhen an den ungewöhnlichen Aufführungsort im Tiergarten nahe des Richard-Wagner-Denkmals und ganz in der Nähe der Stelle, an der vor neunzig Jahren Karl Liebknecht erschossen worden war.
Kunst sei ein Vertrauensgut, referierte Bernd Fesel im Simón-Bolívar-Saal der Staatsbibliothek Berlin, wo der zweite Teil der Performance über die Bühne ging, denn der eigentliche Wert des erworbenen Kulturguts sei weder vor dem Kauf der Eintrittskarte noch nach dem Besuch eines Konzertes genau zu taxieren. Außerdem könne sich sein Wert auch im Nachhinein ändern, sowohl zum Positiven als auch zum Negativen. „Vertrauen ist für dieses Musiktheater notwendig“, so die Künstler im Programm, „da dem Publikum Klänge präsentiert werden, die vergangen sind, an anderen Orten der Welt stattfinden oder sich schlichtweg der Anthropologie des Menschen entziehen.“
Mit Letzterem war das wunderbar poetische Ultraschallkonzert für Fledermäuse gemeint, an dem John Cage sicher seine Freude gehabt hätte. Eine surreale Szene mit dem sterbenden Karl Liebknecht und einem stummen Trompeten-Solo vor einem sich langsam mit Gas füllenden und später hoch aufsteigenden Ballon beschwor Klänge aus der Vergangenheit – ein „erschöpfter“ Mauricio Kagel ließ grüßen.
„Der große Lauscher spricht“ hieß ein weiterer Satz des Vertrauenskonzertes: Ein von Posaunist Daniel Ploeger vorgetragener Monolog über den Chip in uns entpuppte sich als aktuelles Polit-Theater.
Was aber war das Ganze? Konzert oder musiktheatralische Inszenierung? Hintersinnige Konzept-Kleinkunst im öffentlichen Raum oder einfach des Kaisers neue Kleider?
Rhetorische Fragen, natürlich alles zusammen – Kreidler, Groninger und Knappe sind hier nur scheinbar das klassische Dreier-Gespann aus Komponist, Regisseurin und Autor, denn sie stellen in der gut eineinhalb Stunden dauernden Performance alles in Frage, was üblicherweise auf Bühne und Konzertpodium passiert.
Getragen wurde das Gesamtkunstwerk von drei Künstlern, die ihr instrumentales Können ganz in den Dienst des Konzepts stellten: dem Schauspieler-Posaunisten Daniel Ploeger, der Schauspieler-Perkussionistin Almut Lustig und dem Schauspieler-Tubisten Robin Hayward – drei „complete musicians“, deren Horizont nicht bei Fingersatz, Spieltechnik und Tarifdenken aufhört. Es war ein Vergnügen, sie bei der Produktion von Vertrauensgütern vom Tiergarten bis in den Konzertsaal hinein zu begleiten.