Hauptbild
Foto: Thomas Aurin
Foto: Thomas Aurin
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Larmoyante und skurrile Klänge für „Horch und Guck“ – Opernuraufführungen von Robert Krampe, Mischa Tangian und Elisa Quarello

Publikationsdatum
Body

Zum zweiten Mal war ein Kompositionswettbewerb der Deutschen Oper Berlin in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Hanns Eisler ausgeschrieben worden. Drei junge Komponisten entwickelten gemeinsam mit drei jungen Librettisten, Absolventen des Studienganges „Szenisches Schreiben“ an der Universität der Künste, drei Opern zum Thema der menschlichen Folgen von Spionage in der geteilten Stadt.

Das im Film („Das Leben der Anderen“) und Roman (Herbert Rosendorfers „Das Messingherz“) nachhaltiger aufgearbeitete Thema der Verstrickungen von Geheimdienst-Mitarbeitern im geteilten Deutschland nun also als Opern-Triptychon.

Für die gut zweistündige, pausenlose Abfolge der drei Opern hat Kerstin Laube, Leiterin des Masterstudiengangs „Bühnenbild_Szenischer Raum“ an der Technischen Universität, die Bühne der Tischlerei horizontal geteilt. Auf der unteren Ebene, neben dem zentralen Orchester, ein Freiraum, oben auf der rechten Seite eine karge Container-Behausung mit verschiebbaren Wellblechwänden.

„Unsichtbare Fronten“

Sascha Hergesheimers Libretto zum eröffnenden „Nachtstück in drei Szenen“, „Unsichtbare Fronten“, erzählt vom Abschied des Agenten Thomas von seiner Geliebten Kaja, zu der er nie zurückkehren wird. Thomas wird von seiner Vorgesetzten (Anna Schors) zum Leben in der Normalität degradiert. Mit dem 14-köpfigen „Echo Ensemble für neue Musik“ beginnt der junge Dirigent Michael Nawri noch während seines Auftrittsapplauses. Robert Krampes Partitur ist sichtlich bemüht, die Hörer nicht zu verschrecken, die Geschichte tonal und möglichst melodisch nachzuerzählen. Pauken und Bassklarinette, Flageolett-Streicher zum Bass-Unisono. Beim Wiegenlied Katjas schlägt Krampe gar einen Musicalton an. Inspiriert scheint sein chromatisches Zwischenspiel, bevor dann Soldatengesang im Chanson-Ton und Walzerklänge beim Aufräumen der Wohnung folgen, Marschmusik mit Trompete zu „rechts, rechts oder links“. Das Orchester ist oft zu laut und macht es den jungen Solisten schwer, textverständlich zu sein. Rebecca Koch als Katja singt oft arg schrill, und im Melodram macht sich Philipp Mayer als Thomas besser als in den Gesangsszenen. Machtvoll ertönt vom Dach des Wohncontainers der Bassist Dongho Kim als Ehrenmal. Die Regie von Tristan Braun ist aktionsreich bemüht, aber sehr beliebig in den eingesetzten Mitteln, mit sechs Gummibändern als Trennlinien und einer Sternenkugel im eingedampften Raum. Verunklart wird die Erzählung, wenn Thomas in der Rückblende gedoubelt wird von einem Mitakteur, der zuvor einen Gegenspieler dargestellt hat. Und bisweilen – etwa beim Spiel mit einer Puppe als dem Kind Katjas – werden unfreiwillige Lacher ausgelöst.

„In Absentia“

Mit Videos arbeitet Regisseurin Julia Glas im Zweipersonenstück „In Absentia“. Im Libretto von Michel Decar ist die Mutter-Tochter-Rivalität eigenwillig zugespitzt, denn beide sind Agentinnen auf unterschiedlichen Seiten. So bespitzeln sich beide gegenseitig, die Mutter durchwühlt eine Abfalltonne nach Papierstreifen und findet ein Jacket ihres Verflossenen. Die Tochter entdeckt im Telefonbuch unterstrichene Wörter, die einen Code ergeben. Obgleich hier das Kind der verlassenen Katja ein Mädchen, nicht wie in der ersten Oper ein Junge, wirkt die Geschichte von Mutter und Kind in ihrer Beziehung zum unsichtbaren Spionage-Auftraggeber wie die raffinierte Fortsetzung der ersten Opernhandlung. Komponist Mischa Tangian hat versucht, das Klangspektrum der Instrumentalisten zu erweitern, indem sie auch „Z“-Laute von sich geben und Orchesterschläge der Streicher mit der Hand gegen den Corpus ihrer Instrumente ausführen. Beim Telefonat ohne Telefon hat das Orchester ein Tacet. Interesse erweckt eine schizoide Streicherfigur, weniger individuell ein Swing-Rhythmus oder larmoyante Kantilenen. Als Ende pfeift die Mutter mit einer Hundepfeife vom Dach des Containers. Hier macht Sera Jung als Tochter ihre Sache gut, als Mutter konterkariert Gina May Walter.

ObstHaine im Oktober

Edda, Katja und Thomas – in neuen Besetzungen –, nebst diversen Doppel-Doublierungen, sorgen im Opernlibretto „ObstHaine im Oktober“ von Jakob Nolte für ein weiteres Kontinuum. Die als Opern-Thriller angekündigte Fortsetzung der „Horch und Guck“-Agentenwelt collagiert Traumbilder und Angst-Visionen nach dem Mauerfall, Verfolgungswahn und Konfusion zu einer Nonsens-Farce. Wiederholt versucht die Mutter, ihre Tochter zu vergiften oder zu ersticken. Konservendosen-Paletten aus westlicher Produktion (ObstHaine?) werden zu Bestechungs- und Schmuggelobjekten und zu großen Panflöten, auf denen drei Agenten scheinbar blasen, bevor sie erschossen werden. Am Ende erstickt ein Double der wasserstoffblonden Agentin erneut ihr Kind. Ihre finalen Worte „Ich verstehe!“ führen die erlebte Szenenfolge ad absurdum.

Dass das Uraufführungsteam um Regisseurin Franziska Guggenbichler-Beck der Handlung klezmerartige Soli von Violine und Klarinette und Trommelbegleitung voranstellt, ist formal hilfreich. In Elisa Quarellos Partitur erinnert der sich verselbstständigende Einsatz eines Csardas an die Fernmusik im zweiten Akt von Franz Schrekers „Der Ferne Klang“, und geradezu zitiert werden auch die Schlusstakte von Alban Bergs „Lulu“. Für klangliche Skurrilität sorgen elektroakustische Verstärkungen, wie etwa das Fingerknacksen eines Agenten.

KommilitonInnen und jugendliche Freunde der jungen Mitwirkenden sorgen auf der Publikumstribüne der Tischlerei während der Abschlussoper für grelle Lacher und am Ende für lautstarken Zuspruch.

Insgesamt aber bleibt dieser langatmige Abend wenig prägend im Gedächtnis. Gleichwohl war es gleichermaßen originell wie engagiert, dieses Berliner Thema als Triptychon kompositorisch aufbereiten zu lassen.

Weitere Aufführungen: 11., 14. und 15. April 2015

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!