Das 2013 zum 50jährigen Jubiläum ihrer Wiedereröffnung von der Staatsoper initiierte Forschungsprojekt nähert sich seinem Ende: die Geschichte der Institution Staatsoper in München – im Zeitraum von der „Hauptstadt der Bewegung“ zur „Weltstadt mit Herz“. Das von Jürgen Schläder angeführte Team von Theaterwissenschaftlern der LMU zog soeben an zwei Tagen ein vorläufiges Resümee, angereichert durch einige Gastvorträge.
Klar wurde die herausragende Stellung, die die neuen braunen Machthaber und insbesondere der seit seinen Wiener Jahren opern-affine Adolf Hitler der Münchner Oper zuwiesen: sie sollte in der „Hauptstadt der deutschen Kunst“ zunächst in den bisherigen Häusern Maßstäbe setzen. Der Neubau einer „Großen Oper“ mit 3000 Plätzen fiel, wie die Berliner „Germania“-Pläne, dem Krieg zum Opfer. Eine inhaltliche Programmatik für das geplante Haus fehlte ohnehin. Andererseits wurde 1934 mit dem SS-Mann Oskar Walleck als Generalintendant und ab 1937 mit Clemens Krauss als Generalmusik- und Operndirektor sowie Rudolf Hartmann als zentralem Regisseur ein linientreues Leitungsteam bestellt. Unter dem Deckmantel der Werktreue vollzogen Kraus und Hartmann einen Wandel: Verzicht auf gesellschaftspolitische Interpretation oder tiefenpsychologische Problematisierung in den Neuinszenierungen – hin zu einer unterkomplexen Oberflächenregie bei hohem musikalischem Niveau. Es gab Massenszenen mit entsprechendem Chor- und Statistenaufwand sowie „Fahnen-Straßen“ – teilinspiriert von der Regie der Reichsparteitage.
Auch der „Deutsche Gruß“ etwa in „Aida“, „Fidelio“ „Tannhäuser“, „Meistersinger“ und sogar der „Zauberflöte“ hielt Einzug. Doch eine einheitliche faschistische Ästhetik ist nicht nachweisbar, auch wenn der neue Reichsbühnenbildner Benno von Arent Vorgaben lieferte. Dafür wurden teils auf Anordnung von Hitler selbst hohe Geldbeträge nach München angewiesen. Einzelvorträge machten die ambivalenten Rollen von Hans Knappertsbusch und insbesondere Rudolf Hartmann deutlich. Hartmann konnte seine ganz den Rezeptionserwartungen des traditionell orientierten Bildungsbürgertums entsprechenden Inszenierungen zu etwa 90 Prozent übernehmen, als er entnazifiziert 1952 Münchner Opernintendant wurde. Insofern belegten mehrere Referate, dass es eine „Stunde Null“ und einen künstlerischen Neuansatz nach 1945 weder in der Oper noch im Ballett gegeben hat. Dem entsprach dann auch der Wiederaufbau des Nationaltheaters 1963: bei aller technischen Erneuerung eine historische Rekonstruktion ohne jeglichen Rest von Kriegswunden als architektonischen Verweis auf die Geschichte des Hauses.
Verstummte Stimmen
Zwar wurde die Thematik der „Verstummten Stimmen“ auf einer früheren Einzeltagung behandelt, dennoch fiel jetzt auf, dass das Forschungsprojekt sehr auf ästhetische Fragen und leitende Persönlichkeiten abgestellt ist. Für die kommende Buchform der wissenschaftlichen Untersuchung sollte die Problematik der wegen ihrer nicht-arischen Abstammung oder politisch-weltanschaulichen Einstellung diskriminierten, entlassenen, verfolgten oder sogar in den Tod getriebenen, auch kleinen Mitarbeiter der Staatsoper - etwa in Technik, Verwaltung oder Chor tätig - eingehender untersucht werden. Bereits 1932 wurde ja vom Kultusministerium moniert, dass über 41 Prozent der Künstler Ausländer seien. Das signalisiert, dass das Jahr 1933 zwar rein zahlenmäßig zum Titel hübsch passt, aber gerade im „braunen“ München zu eng gewählt ist, weil die Säuberung – wie im Gärtnerplatztheater - wohl schon länger lief.
Natürlich ist es aufwändig, auch über die französischen und ukrainischen Zwangsarbeiter an der Staatsoper wissenschaftlich Fundiertes zu finden. Auch wenn entscheidende Staatsopern-Akten fehlen: gibt es nicht anderswo, etwa in SPD- und KPD-Parteiarchiven, bei entsprechenden, noch lebenden „alten Kämpfern“ Belege? All das sollte doch ein anschauliches Endergebnis liefern: wie in den Opern Stuttgarts, Frankfurts oder Hamburgs eine Ehrentafel für die von den braunen Kulturbarbaren zum Verstummen gebrachten künstlerisch arbeitenden Menschen.