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Schauspiel von Terrence McNally. Foto: © Claudia Heysel

Schauspiel von Terrence McNally. Foto: © Claudia Heysel

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Legenden leben länger – Das Anhaltische Theater Dessau startet im Großen Haus mit einer Meisterklasse

Vorspann / Teaser

Sopranlegende Edda Moser ist ein lebendes Beispiel für eine der ganz Großen der Szene. Maria Callas (1923-1977) lebt schon lange ihr eigenes Nachleben. Als unerreichte Referenzgröße für jede Sopranistin, die sich an „deren“ Bellini-, Verdi- oder Puccini-Rollen wagt. Aber auch als glamouröse und zugleich tragische Diva. Bei Edda Moser ist auch 30 Jahre nachdem sie ihre aktive Karriere auf dem Höhepunkt (nicht irgendwo dahinter) bewusst beendete, immer noch ihre Ausstrahlung beeindruckend. Etwa als Schirmherrin des Festspiels der Deutschen Sprache im Goethetheater Bad Lauchstädt. Selbst, wenn sie da nur in einer kurzen Ansprache die deutsche Sprache hochleben lässt. Mit ihrer treffsicheren Bühnenpräsenz fasziniert sie immer noch. Auch, wenn sie nicht singt.

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In einem Interview hat sie neulich mal gesagt, dass die Schüler, die sie als Lehrerin in einer Meisterklasse nicht aushalten, wohl nicht für den Beruf geeignet sind. Man kann sich gut vorstellen, was sie meint. Und so, wie der Erfolgsautor Terrence McNally (1938-2020) Maria Callas in dem seit der Uraufführung 1995 höchst erfolgreichen Stück „Meisterklasse“ zeichnet, war es bei ihr wohl nicht anders. Die Callas hat tatsächlich 1971/72 zur Fortbildung junger Sänger an der New Yorker Juillard School mehr als 20 öffentliche Meisterkurse abgehalten. Im Stück erleben wir eine Meisterklasse mit, in der die Callas sich drei Opfer vornimmt. Das mit der Oper sei ein Scherz, sagt sie immer gleich dazu, als ob der ironiefreie Korrektheitsterror von heute schon damals geherrscht hätte.

Es sind zwei junge Sopranistinnen und ein Tenor. Den Pianisten (Alexander Koryakin) nimmt sie als unumgänglichen Verbündeten, merkt sich bald sogar dessen Namen Sascha. Der Bühnenarbeiter, der ihr Wasser, Fußbank und ein Kissen bringt und wieder geht, wird ihr zum Beispiel für jemanden, den das alles nicht interessiert. Die Diva dosiert diese kleinen Marotten und Überheblichkeiten immer so, dass es die Sympathie, die man für sie empfindet, nie wirklich beeinträchtigt.

In dem ganzen Stück geht es natürlich – entgegen der Behauptung der Protagonistin – vor allem um sie selbst. Und um die bzw. um ihre Kunst. Um die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks, die hinter den Noten liegt und die man erspüren muss, wie sie sagt. Wenn sie versucht, dem Nachwuchs klarzumachen, worum es wirklich geht, worauf es dabei ankommt und wie man das umsetzt, dann wird der Abend, den Hausherr Bernd Weigand inszeniert und zweckmäßig knapp (ein Piano, zwei Pulte im holzvertäfelten Probenraum) ausgestattet hat, gleich noch zur Meisterklasse für die Zuschauer.

Claudia Lietz ist in der Rolle der Primadonna Assoluta großartig, kommt ohne Imitation aus. Weigand lässt sie nur einmal ein paar Töne ansingen. Ansonsten aber werden Originalaufnahmen mit Paraderollen der Callas dezent aus dem Off eingespielt, während Lietz in einem Lichtspott ihren Erinnerungen nachhängt: an die großen Momente, an ihr Debüt an der Scala. Oder auch an ihre Kindheit, die Entbehrungen nach dem Krieg am Beginn ihrer Karriere. Und an die letztlich unglückliche Beziehung mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis, ihren „Ari“.

Es versteht sich von selbst, dass neben Lietz als kapriziöse Diva, auch Therese Zschunke als junge Sopranistin Sophie De Palma und Annika Boos als Sharon Graham als eine weitere Sopranistin, die beide das Klischee der übereifrigen Wir-wollen-werden-wie-Sie-Elevinnen ausspielen, dem Komödienaffen Zucker und der Callas immer wieder Steilvorlagen zum Eingreifen und Korrigieren geben.

Zweimal wird sie trotz aller Schutzschilde getroffen. Das eine Mal von Puccini. Denn der zunächst sogar Kaugummi kauende (echte Tenor) Costa Latsos trifft als Anthony Candolino den Sehnsuchtston von Mario Cavaradossi alsbald so, dass die Callas, entgegen ihrer Erwartung, tatsächlich tief berührt ist. Was auch daran liegt, dass sie dessen Arie in ihrer aktiven Zeit als Tosca immer nur aus der Kulisse gehört hat, um von dort aus ein „Mario Mario“ beizusteuern. Das zweite Mal ist sie für einen Moment getroffen, als Sharon ihren Ratschlag, dass es bei ihr für Verdis Lady Macbeth noch nicht reichen würde, und sie sich lieber Mimi vornehmen sollte, damit pariert, dass sie ihr entgegen schleudert, sie sei nur neidisch, weil sie ihre Stimme verloren habe. Lietz freilich hat ihre Callas nicht nur als Figur einer erinnerten Vergangenheit, sondern auch als eine unter Schmerzen reflektierten Gegenwart so ausgefüllt, dass diese Attacke auf ihre Urheberin zurückfällt.

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