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Logbuch für aktuelle Musik in Österreich

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Beim musikprotokoll 2013 in Graz gab es noch keine Entwarnung für die Zukunft des Festivals
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Bunt und klangvoll von noisy bis edel, so präsentierte sich das Musikprotokoll 2013, das vom 3. bis 12. Oktober in Graz stattfand. Die Ankündigung versprach vollmundig „riskante Beziehungen“, unerhörte Kontakte zwischen „Himmel und Erde“, „Materie und Virtual Reality“.

Das Motto „liaisons dangereuses“ möchte Assoziationen wecken, aber wirkt kokett bis altbacken mit Blick auf das Programm. Was ist denn gefährlich in der Kunst? Wenn man sich innerhalb mitteleuropäischer Hochkultur bewegt, riskiert man als Veranstalter oder Künstler weder Leib noch Leben, man vergrault sich höchstens die Gunst einiger Fans. Die Zusammenstellung der Künstler als Risiko zu bezeichnen, ist zu hoch gegriffen, es handelt sich bei den meisten Akteuren um bekannte Namen aus der österreichischen Szene. Und Genre-Mischungen à la „DJ trifft Orchester“ sind mittlerweile längst Teil der Programmatik fast jeden klassischen Symphonieorchesters. Passender wäre gewesen, den heimlichen Schwerpunkt „soundscapes“ als Motto zu küren.
Mit siebzehn Konzerten und Performances,  zwei Installationen, einer Vielzahl an Diskussionen und Live-Radiosendungen richtet das Musikprotokoll wie gewohnt ein reichhaltiges Angebot an verschiedene Kulturinteressen. Die Zusammenstellung der Formate zeigt, dass man neben der gewohnten Konzertsparte mit bekannten Größen (u.a. Klangforum Wien, Ensemble Recherche) auch vermehrt Crossover-Programme (im Nachtprogramm in diversen Grazer Clubs) sowie den weiten Bereich der Medien- und Installationskunst mit einbeziehen möchte. Breiten Raum nimmt diesmal die Zusammenarbeit mit jungen Künstlerinnen und Künstlern ein. Unter dem Titel „environmental auditors“ bespielt eine Gruppe junger Improvisationsmusiker/-innen den Grazer Schlossberg. Die seit einigen Jahren bestehende Partnerschaft mit der Kunstuniversität Graz zeitigt gleich mehrere Veranstaltungen. Im Konzert der Schola Heidelberg erklingen ausgewählte neue Vokalwerke junger Grazer Komponistinnen und Komponisten, als Encore gibt es diesmal sogar eine Opernaufführung.

Mit „Asteroid 62“ wird das Preisträgerwerk des Johann-Joseph-Fux-Opernwettbewerbs gezeigt. Und mit dem Projekt „personal soundscapes“ richtet man ein edukativ-kreatives Angebot an die junge Musikgemeinde im Internet. Das installative Programm bezieht insbesondere den öffentlichen Raum mit ein. Mit einer Klanginstallation auf der Murinsel, einer 48-Stunden-Performance in der Andräkirche sowie dem Projekt „i share, therefore i am“ im esc medien kunst labor werden Anknüpfungspunkte mitten in der Stadt geboten.

Die eingeladenen Ensembles aus Österreich und Deutschland zeigten wie gewohnt, dass sie Musik jeder Art auf Spitzenniveau meistern können. Gerade die hohe Qualität der Interpretinnen  und Interpreten ist aber der härteste Test für neue Werke. Beim Konzert des Klangwege-Projekts mit der Schola Heidelberg beeindruckte die Vielfalt des Handwerks der jungen Komponistinnen und Komponisten. Die Zeiten, da neue Vokalstücke einem Steinbruch aus Konsonanten und Kehllauten glichen, sind definitiv vorbei. Es darf rhythmisch gerappt werden, gesummt, harmonischer Choralsatz und quasi-instrumentale Klangflächen sind ebenso vertreten wie dadaistische Textpassagen oder die Verwendung eines offenen Flügels als Resonanzraum des Chors. Allerdings gab es trotz der Fülle an diversen Techniken nur wenige Momente, die wirklich klanglich und performativ die Augen und Ohren öffnen konnten. Intensive Hörerlebnisse, die einen tief in die Klangfülle unserer Welt eintauchen lassen, ermöglichten dafür die Installationen von Angélica Castelló, Winfried Ritsch, Pei-Wen Liu und der Gruppe metamusic. Mit ihrer Offenheit und thematischen Vielfalt waren sie für das nicht-festivalgebundene Laufpublikum sicherlich das am meisten wahrgenommene Angebot des Musikprotokolls in der Grazer Öffentlichkeit. Dazu trug auch die Einbindung in parallel laufende Veranstaltungen (steirischer herbst, Lange Nacht der Museen) bei. Schade nur, dass die Konzerte dagegen eher an Randplätzen stattfanden. Ein zentraler Punkt zum sich-Treffen und Diskutieren (ähnlich dem letztjährigen Hauptquartier in der Grazer Oper) hätte der Nachhaltigkeit der Veranstaltungen gut getan.

Das Musikprotokoll gilt seit 45 Jahren als feste Institution in der europäischen Festivallandschaft für zeitgenössische Musik. Eigentlich hätte man daher 2013 was zu feiern. Doch der Weg in die Zukunft ist ungewiss. Im Juni dieses Jahres hatte der Intendant des ORF, Alexander Wrabetz, die vollständige Einsparung des Festivals von Seiten des ORF angekündigt. Eine Welle des Protests rauschte durch die internationale Kulturlandschaft, bislang gingen etwa 4.000 Unterschriften bei der eilends gestarteten Online-Petition ein. Das Sparprogramm des ORF würde eine harte Wende, wenn nicht das völlige Aus der Veranstaltungsreihe bedeuten. Mit Spannung wurde daher die Eröffnung erwartet. Doch die Festivalleitung konnte noch keine Entwarnung geben. Erst mit Ende dieses Jahres soll bekanntgegeben werden, ob das Musikprotokoll auch weiterhin seinen Platz als Logbuch für aktuelle Musik in Österreich behalten wird.

Das musikprotokoll 2013 gibt sich wie immer als sichere Bank für gehaltvolles neutönendes Programm. Gerade angesichts der ungewissen Zukunft hätte man sich allerdings ein mutigeres Statement erwartet, vor allem von den jungen Stimmen der aktuellen Musik. Ein echtes Bekenntnis zur Kultur als Herzstück unseres Alltags sollte konsequent ins Herz der Stadt zielen, statt Randorte wie die Kammersäle zu bespielen. So bleibt das Musikprotokoll ein schöner, aber eher den Spezialisten vorbehaltener Treffpunkt.

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