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Iordanka Derilova als Manon Lescaut, Ray M. Wade, Jr als Chevalier Renato Des Grieux, Student. Foto: © Claudia Heysel
Iordanka Derilova als Manon Lescaut, Ray M. Wade, Jr als Chevalier Renato Des Grieux, Student. Foto: © Claudia Heysel
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Luxus im Wohncontainer – Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ am Anhaltischen Theater in Dessau

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Die junge Manon steht zwischen zwei Männern. Auf der einen Seite der leidenschaftliche, aber arme Student Des Grieux. Auf der anderen der reicher Steuerpächter Geronte. Sie entscheidet sich erst mal für’s Luxusleben. Als der Student wieder auftaucht, will sie aber doch mit ihm fliehen. Der Alte verhindert das, sie landet im Knast, wird nach Nordamerika verbannt. Er folgt ihr freiwillig. Aus Liebe. Kann sie aber nicht vorm Verdursten in der Wüste bewahren. Puccini trat mit seiner „Manon Lescaut“ 1893 bewusst gegen Massenets damals schon erfolgreicher Version des Stoffes an. Auch wenn er dafür keine Wunschkonzertnummern komponierte, die mit denen aus Bohème, Tosca oder Butterfly mithalten können, so schwingt er allemal den großen emotionalen Orchesterpinsel. Das alles gelingt in Dessau vorzüglich, meint unser Kritiker Joachim Lange.

Als Auftakt geht es in Dessau kunterbunt und handgreiflich zu. Die Riesencontainer, die Sibylle Pfeiffer auf die Drehbühne gesetzt hat, erinnern allerdings eher an Mahagonny oder die hiesige Erfolgsinszenierung „Die Stumme von Portici“. Nichts an südfranzösische Provinz. Imaginiert wird eine Gegenwart mit Vorliebe für Secondhand-Chic, nicht die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Was ja kein Nachteil sein muss, wenn dadurch die Geschichte näher an uns heranrückt. Das gelingt Regisseurin Katharina Thoma nur im zweiten Teil. Im ersten lässt einen das Treiben in Container-City kalt. 

Wenn die im Dramatischen bewährte Dessauer Primadonna Iordanka Derilova als junge, fürs Kloster vorgesehene Manon die junge Göre mit Zöpfen gibt und Ray M. Wade, Jr. das Standbild eines Renato Des Grieux daneben stellt, dann ist das vor allem ein vokales Ereignis. Derilova ist in ihrem Element, hat die Höhen, trifft den Ton und auch Wade ist ein Tenor aus der Klasse der ungefährdeten vokalen Höhenturner. Weil auch Don Lee den wohlhabenden Konkurrenten um die Liebe der Manon, den Steuerpächter Geronte, mit nobel tönenden und klar fokussierten Bass ausstattet, können die drei tragenden Protagonisten jeden Wettstreit mit dem Orchester um die akustische Vorherrschaft bestehen ohne dabei unterzugehen. Kostadin Argirov versucht als Manons Bruder mitzuhalten.  Anne Weinkauf fällt als Sängerin im Madrigal (eins von Gerontes Vergnügungen) auf. David Ameln als Ballettmeister mit Witz zieht alle Klischeeregister. Der verstärkte und von Sebastian Kennerknecht einstudierte Chor ist auch mit schauspielerischem Feuereifer bei der Sache.

Im Graben langt der GMD der Anhaltischen Philharmonie Dessau Markus L. Frank kräftig zu, liefert die volle Puccini-Dröhnung, ohne Scheu vorm cineastischen Breitbandklang. Gut, dass die Regie da nicht noch naturalistischen Zucker oben drüberstreut. 

In den auf Wuseln und „Keine Angst vorm Klischee “ angelegten Auftaktszenen bleibt das Was und Warum es da zwischen Manon und Renato funkt, pure Behauptung. Für den zweiten Akt öffnet sich für uns ein Wohncontainer. Von oben senkt sich ein goldener Lamettavorhang. Drinnen spielen sie (bei laufendem Fernseher in der Küche) ein bissl Barock. Manon in Krinoline vorne offen – Barockpunk in Rot (Kostüme: Irina Bartels) und für die Herren eine auftoupierte Perücke für die Glatze. Wirklich sinnlich oder witzig oder erhellend ist das nicht. Warum es aus dieser Art von Lotterleben in die Strafkolonie gehen soll, ist kaum nachvollziehbar. Hier stehen sich Kunstfiguren in einer künstlichen Umgebung gegenüber und singen aus Leibeskräften. Der Rest steht im Programm. 

Überzeugend und in sich geschlossen dann die Verschiffung nach Amerika im Hafen. Hier wird zwar der Container hinter den Deportierten geschlossen, aber ein Tor für Assoziationen bleibt durchaus geöffnet. Die Tristesse der amerikanischen Wüste deuten ein paar demontierte Containertrümmer, ein paar leere Wasserflaschen und die Dunkelheit der Bühne an. Das verfehlt nicht seine Wirkung, zumal die Beiden auch im Verdursten noch gut bei Stimme sind.

Die Puccinifans im Premierenpublikum waren am Ende zufrieden und feierten nicht nur die Sänger und das Orchester, sondern akzeptierten auch die Regie.


  • Freitag, 5.4.2019 — 19.30 Uhr, Großes Haus
  • Samstag, 13.4.2019 — 17 Uhr, Großes Haus KARTEN
  • Freitag, 19.4.2019 — 17 Uhr, Großes Haus KARTEN
  • Sonntag, 19.5.2019 — 17 Uhr, Großes Haus KARTEN
  • Dienstag, 4.6.2019 — 19.30 Uhr, Schweinfurt
  • Mittwoch, 5.6.2019 — 19.30 Uhr, Schweinfurt
  • Freitag, 7.6.2019 — 19.30 Uhr, Schweinfurt
  • Samstag, 8.6.2019 — 19.30 Uhr, Schweinfurt

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