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Schlussapplaus: Orchester mit Komponist. Foto: Tonhalle Düsseldorf
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Maskuliner Wahn, Feminine Ohnmacht

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In Düsseldorf wurde Manfred Trojahns Opernfragment „Merlin-Prolog“ uraufgeführt
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Im Anfang ein Hammerschlag. Ein Hieb, der die Geister weckt, nicht nur die im Publikum. Beeindruckend, was sich da auf wie hinter dem Podium der Düsseldorfer Tonhalle versammelt hat: Ein Dämonenkind namens „Merlin“ (Heikki Kilpeläinen), dessen Vater, der Leibhaftige selbst (Sami Luttinen), und als Dritter im Dämonen-Bund ein destruktiver Unterweltsgeist, ein regelrechter Agitator der Volksseele (Manfred Fink).

Im Rückraum der schier aus den Nähten platzende Orchesterapparat, die Düsseldorfer Symphoniker. Darüber schließlich, erhöht auf der Orgelbank, fünf Soprane, die fünf Engeln die Stimme leihen. Zu deren Füßen mit dem Düsseldorfer Musikverein ein Mammutchor – allerdings kein gemischter, wie es die Partitur vermerkt, sondern (was nicht die einzige Wagner-Assoziation ist) einer, der strikte Geschlechtertrennung wahrt. Frauen links, Männer rechts. Kurz: Eine archaische Szenerie, wie sie das Konzerthaus gewöhnlich nicht kennt, sondern deren Heimat die Opernbühne ist, wofür dieses gewaltige Aufgebot denn auch ursprünglich konzipiert war. Beauftragt von der Berliner Lindenoper gedachte Trojahn zu Anfang der 90er-Jahre, Tankred Dorsts Merlin zu vertonen, „das erste große Theaterstück der 80er-Jahre“ – wie die Kritik seinerzeit jubelte. Dorst selbst sollte Trojahns Librettist sein, die Premiere 1997. Es ist nicht dazu gekommen. Der ehrgeizige Plan zerschellte an seinen quasi-wagnerischen Dimensionen. Benötigt Dorsts monumentales Bühnenszenarium zwei Theaterabende zu je sechs Stunden, wollte Trojahn immerhin auf vier Stunden abspecken. „Doch je länger wir um die Libretto-Fassung rangen“, so der Komponist rückblickend, „desto klarer wurde, dass die Geschichte innerhalb von vier Stunden eben nicht erzählbar ist.“ Dass es nun doch mit 25 Minuten zu einem vergleichsweise vorüberhuschenden Merlin-Prolog gekommen ist – wie schon die Dorst-Uraufführung, ebenfalls in Düsseldorf lokalisiert – dies, so Tro-jahn, sei Frucht „einer Art Panikattacke“. „Die Zeit lief weg und ich wollte vor allem einmal anfangen.“ So hat er sich hingesetzt, selber den Prolog eingerichtet und den Hammer geschwungen, auf dass die Funken flogen.

Tatsächlich ist Trojahns Merlin-Prolog mit der Faust komponiert, berechnet auf einen Ring-verdächtigen Opernabend, in dem nach dem Vorbild der mittelalterlichen Artusepik der Zauberer Merlin, Kind des mephistophelischen Oberdämons und der Jungfrau Hanne, König Artus die Anregung zur Gründung einer Tafelrunde gibt. Merlin soll, so will es der Leibhaftige, den Menschen „den Schrecken vor dem Bösen nehmen“. Zunächst widersetzt sich Merlin (es ist das Thema des Prologs), um sich am Ende doch desillusioniert in einen Showdown zu schicken, den Dorst nicht grundlos von T.S. Eliots Epos The Waste Land adaptiert: Merlin oder das wüste Land. „Im Nebel“ lässt der Dichter schlussendlich einen „riesigen Haufen aus Eisen und Blut“ auftauchen. „Alle Ritter sind tot“ und damit auch die Utopie der Tafelrunde, die Utopie einer Welt der perfekten Ordnung - eine männliche Obsession.

Auch wenn Trojahns Merlin-Prolog nur der Splitter dieses titanischen Opernplans ist – den Geburtsfehler von Dorsts opus magnum, ein maskulin-hyperthropher Allmachtswahn, in dem die feminie Seite dazu verdammt ist, hilflos zusehen oder gar dem ganzen Schwachsinn assistieren zu müssen, transportiert auch er mit. Zunächst in der Weise, dass in Rücksicht aufs Prinzip Oper konzertant die Figur der schwangeren Hanne, Merlins Mutter, kurzerhand herausgestrichen wird. Gewiss: Der theaterkundige, theatererfahrene Komponist weiß, dass eine Gebärende ohne Bühne und Szene im Konzertsaal deplaziert ist – andererseits war damit eben auch die letzte Erinnerung daran abhanden gekommen, dass Mann nun einmal nicht allein ist auf der Welt. So aber konnte die von allen guten Geistern verlassene Tafelrunden-Phantasie ihr Destruktionspotenzial entfalten – mit Hammer, großer Trommel und Peitsche, mit Blitzen, die durch die Instrumentengruppen huschen und dröhnend im Blech explodieren. Ein Orchester in Flammen.

Angesichts solch gewaltiger Untergangs- und Chaosrufe hatte auch John Fiore, Generalmusikdirektor der Düsseldorfer Symphoniker, die wunderbaren fünf Engel-Stimmen oben am Orgel-Spieltisch ganz vergessen. Dass die Fünf (Anke Krabbe, Iwona Lesniowska, Véronique Parize, Katarzyna Kunico, Iryna Vakula) überhaupt in die Partitur hineingeraten sind, ist nun freilich Trojahns Muse, ist seinem wachen Unterbewusstsein zu danken, auch wenn er den Favoritchor dann doch lediglich als „Echo im Hintergrund“ konzipiert. Echo von was? Es ist das Cis des Unterweltgeistes, das die fünf übernehmen, es aufspalten in ein einfaches, dann in ein doppelt oktaviertes H. Ein leises, im dreifachen Pianissimo gehaltenes Singen hebt an, das ein Eigenleben führt, dem irren Machtpoker dort unten allerdings nicht in die Speichen fallen kann. Feminine Ohnmacht. Eine verständige Regie hätte, auch mittels entschiedener Klangbalance, das Verdrängte bewusst zu machen, um den inständigen femininen Ton nicht sang- und klanglos im Höllenzauber untergehen zu lassen. Bei der Düsseldorfer Uraufführung wurde sie schmerzlich vermisst.

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