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Der müde Tod. Foto: Murnaustiftung
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Mehr 1921 als 2016 – Fritz Langs Film „Der müde Tod“ mit Musik von Cornelius Schwehr

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Die Mixtur von filmischer Wiederentdeckung mit neuer Musik und Live-Orchester geht auf. Das filmische Großereignis „Der müde Tod“, am zweiten Tag der Berlinale Classics, soll nach nur drei Minuten ausverkauft gewesen sein. Fritz Langs Film aus dem Jahre 1921 zählt nicht zu seinen berühmtesten Arbeiten, aber doch zu den cineastischen Geheimtipps.

Der Handlungszug, dass eine Frau dem Tod in dessen Reich folgt, wo sie die flackernden Lebenslichter der Menschen sieht und sich bemüht, die begrenzte Lebensdauer eines jungen Mannes zu verlängern, scheint entlehnt aus der damals ungemein populären, 1917 in Stuttgart uraufgeführten 40-Märchen-Collage „An Allem ist Hütchen Schuld!“ von Siegfried Wagner (Deutschlandradio Kultur übertrug diese Oper vor zwei Wochen und ist nun auch Koproduktionspartner für die Neuproduktion von Langs Film, der auch auf DVD erscheinen wird). Und noch eine weitere Szene des Drehbuchs von Fritz Lang verweist auf die Opernbühne, nämlich der Hahnenkampf, mit dem in „Bruder Lustig“ niedrige Instinkte chiffriert werden; bei Fritz Langs Handlung ist es ein „Mohr“, der sich nach dem Erlebnis des Hahnenkampfes mühelos zum Mord aufstacheln lässt.

Ansonsten mag Fritz Langs Geschichte über den handwerklich müden Tod (Bernhard Goetzke) durchaus zeitgeschichtlichen Bezug zum gerade beendeten Ersten Weltkrieg haben. Originell ist, dass sich die Heldin (die junge Lil Dagover) in drei, in unterschiedlichen Kulturkreisen angesiedelten, Episoden vergeblich bemüht, das Leben ihres verlorenen Geliebten (Walter Janssen) zu retten. Auch die Aufgabe, jemanden zu finden, der bereit ist, mit dem Toten zu tauschen, läuft ins Leere, und so entschließt sie sich selbst für das Reich des Todes, um wieder mit dem Geliebten zusammen zu sein.

Fritz Langs Film mit dem Untertitel „Ein Volkslied in sechs Versen“ bot insbesondere mit den in Venedig, im Orient, sowie in China spielenden Akten, ein dankbares Futter für die Musik zum Film. Leider ist die originale Komposition von Giuseppe Becce zu der am 6. Oktober 1921 im Berliner Mozartsaal mit großem Orchester uraufgeführten Filmhandlung nicht mehr aufzufinden. So erteilte das ZDF dem Komponisten Cornelius Schwehr, der bereits neue Partituren für „Panzerkreuzer Potemkin“ und „Vormittagsspuk“ geschaffen hat, den Auftrag zur Neukomposition des „Müden Tod“.

Der 1953 geborene, in Freiburg als Professor für Komposition tätige Schwehr hat dafür eine deutlich der Ästhetik des 19. Jahrhunderts verpflichtete Tonsprache gewählt. Geradezu linear folgt seine Filmpartitur in den Rahmenakten der Geschichte. In den exotischen drei Episoden, der Handlung gemäß „Lichter“ genannt, wechseln sich liedtonartig spätmittelalterliche Polyphonie und homophone Passagen, für den China-Akt mit stärkerem Schlagzeuganteil, ab. Hier wünschte man sich von der Klangwelt durchaus groteskere Wirkungen mit deutlich lokaler Koloristik, wie sie sogar die Schriftzeichensetzung der Zwischentitel aufweist. Offenbar deutet der Komponist die Handlung als einen „Liebestraum“, da er im Vorspiel und erneut am Schluss des Films jenes Thema von Franz Liszt paraphrasiert, welches seinem populären Klavierstück, wie auch seiner Variante als Kunstlied, zugrunde liegt.

Filmmusik-Pionier Frank Strobel am Pult des trefflich disponierten Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Berlin erweist sich erneut als ein optimaler Sachwalter zwischen Klangkörper und Leinwand. Dank der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung ist Fritz Langs frühes Meisterwerk erstmals wieder farbig zu erleben: wie einst im Original, ist jede Szene, der Dramaturgie der Handlung folgend, in anderen Farben viragiert. Eine auch hinsichtlich der Wiederherstellung der ursprünglichen Zwischentitel trefflich gelungene, digitale Rekonstruktion, die beim Publikum immer wieder heitere Lacher auslöst. Weniger farbig wirkt Schwehrs Musik zu den doch immer wieder großen Bildfindungen von Lang: in der Umsetzung durch die 70-köpfige Orchesterformation des RSB kommt die Neudeutung vergleichsweise schlicht und in ihrem kammermusikalischen Duktus arg zurückgenommen daher.

Nach der „Weltpremiere der digital restaurierten Filmfassung“ ernteten die noch lebenden Künstler, darunter der Komponist, viel Zuspruch.

In ARTE: 15. Februar 2016, 23.55 Uhr.

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