Die fragenden Jugendlichen aus Ost und West sind durchweg selbst angehende Künstler. Alle haben sie ihre Fähigkeiten bereits beim Wettbewerb “Jugend musiziert“ bewiesen. Knapp 50 Preisträger dieser renommierten Nachwuchs-Auslese, davon immerhin 40 Mädchen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren, durften nun für vier Tage nach Dresden reisen, um sich dort quasi hautnah ein Bild vom Künstlerberuf zu machen. Ein in Deutschland einmaliges Projekt, organisiert vom Verband der Musikschulen und der Semperoper, finanziert von einer großen Auto- und Luftfahrtfirma.
Der Tanztheater-Abend in Wigmans Wohnhaus, der „Kleinen Szene“ in Dresden, war ein voller Erfolg. Auch wenn keiner der jungen Besucher zuvor etwas von Mary Wigman gehört hatte. Danach Diskussion mit den Tänzern: Wie sieht das Leben nach dem glanzvollen Bühnendasein aus? Düster, das wissen die Jugendlichen, auch wenn ihnen die Dresdner Tänzer ein paar nicht ganz so katastrophale Szenarien schildern. Einige tanzen bis ins hohe Alter, andere widmen sich durch den Tänzerberuf verdrängten Interessen. Die fragenden Jugendlichen aus Ost und West sind durchweg selbst angehende Künstler. Alle haben sie ihre Fähigkeiten bereits beim Wettbewerb “Jugend musiziert“ bewiesen. Knapp 50 Preisträger dieser renommierten Nachwuchs-Auslese, davon immerhin 40 Mädchen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren, durften nun für vier Tage nach Dresden reisen, um sich dort quasi hautnah ein Bild vom Künstlerberuf zu machen. Ein in Deutschland einmaliges Projekt, organisiert vom Verband der Musikschulen und der Semperoper, finanziert von einer großen Auto- und Luftfahrtfirma. „Alles Oper?“ lautet das Motto, und für die meisten Jugendlichen gab es darauf am Ende nur eine bejahende Antwort. Denn Intendant und Dramaturg der Semper-Oper, vor allem aber die allabendlich auf der Bühne agierenden Künstler, auch Stimmbildner und Repetitoren, konnten dem neugierigen Nachwuchs glaubhaft vermitteln, dass ihr Beruf, so weltfremd er von außen gesehen erscheinen mag, vor allem eines ist: solides Handwerk. Auch mit Zukunft. Vorausgesetzt, man stürzt sich wirklich hinein in seinen Beruf und es ist tatsächlich „Alles Oper“. Dass es sich hierbei nicht um eine verstaubte Museumskunst handelt, sondern um ein mitunter durchaus zeitgemäßes Medium, lernten die Jugendlichen im Gespräch mit den Akteuren auf eine Weise, wie sie auch durch detaillierteste Beschreibung nicht erfahrbar ist.
In Opernbesuchen und Workshops wurden die jungen Sängerinnen und Instrumentalistinnen an das Phänomen Oper nicht vorsichtig herangeführt, sondern gleich mitten hinein geschubst, durchs Parkett auf die Hinterbühne, in die Werkstätten und vor allem in die Kantine, wo sie mit den Stars plauderten und dabei mal als kreischende Groupies, mal als zukünftige Kolleginnen auftraten. „Durch diesen Workshop“, resümmiert ein Mädchen, „habe ich wirklich gemerkt, wie provinziell man doch aufwächst, besonders in den Kleinstädten.“ Alle Ost-West-Differenzen scheinen hier eingeebnet, das Staunen vereint: „Die Künstler, die ich immer für unerreichbar gehalten habe, sind wunderbar kooperativ und fliegen nicht über den Wolken.“ Viele der jungen Musiker fühlen sich dennoch nicht ganz wohl in ihrer Haut, merken einerseits, dass sie privilegiert sind, fühlen sich andererseits von Gleichaltrigen diskriminiert, sogar von ihren Lehrern, die nicht verstehen, warum ein Konzertauftritt wichtiger sein soll als die Vorbereitung auf eine Erdkundeklausur. Hierin sind gerade deutsche Kinder international weiterhin benachteiligt. Erst nach dem Abitur, mit Beginn des Hochschulstudiums, können sie sich auf ihren Beruf
konzentrieren, der doch wie kaum ein anderer eine frühe professionelle Ausbildung verlangt. Zu Recht beklagten die Nachwuchstalente, dass etwa die Ausbildung im sportlichen Bereich auf wesentlich mehr Akzeptanz stößt. So sehr sich die Profis der Semperoper in der Diskussion auch bemühten, den Opernbetrieb als zeitgemäße Einrichtung zu betrachten, so sehr stießen sie auf ungläubige Gesichter. Die Jugendlichen wussten sehr wohl, dass sie ein soziales Nischendasein führen und sind keineswegs so realitätsblind, dies zu leugnen.
Andererseits gehört es zum Künstlerberuf, sich für den Mittelpunkt der Welt zu halten, sonst könnte man die Entbehrungen und Diskriminierungen kaum auf sich nehmen, die mit der Ausbildung zum Musiker verbunden sind. Auch dies konnten die Jugendlichen in Dresden lernen, wo sich Orchestermusiker, Sänger, Dramaturg und Intendant viel Zeit nahmen, um das Phänomen Oper zu erklären. Ein vorbildliches Projekt, das es eigentlich an jedem Opernhaus für alle interessierten Jugendlichen geben sollte und nicht nur für jene, die aufgrund ihrer Interessenlage ohnehin irgenwann einmal in ein Opernhaus gestolpert wären. Andererseits war es gerade für die Nachwuchsmusiker besonders nützlich, ihre mögliche berufliche Perspektive als Realität zu erleben. Und als kleine Belohnung für die fleißigen Jugend-Musiziert-Preisträger war diese Auswahl allemal gerechtfertigt.