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Richard-Wagner-Büste in Bayreuth. Foto: J.M. Koch

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„Mit dem ‚Ring‘ kann man sich ein Leben lang gewinnbringend befassen“

Vorspann / Teaser

Valentin Schwarz vor seinem dritten Ring-Durchlauf bei den Bayreuther Festspielen. Mit dem Regisseur sprach in Bayreuth Joachim Lange.

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Joachim Lange: Sie müssen bisher in jedem Jahr mit einem anderen Partner am Pult arbeiten. Wie läuft es aktuell mit Simone Young?

Valentin Schwarz: Es ist immer eine spannende Veränderung, wenn ein neuer Dirigent antritt. Die musikalische Gestaltung hat immense Auswirkungen auf die Szene, auf die Tempi und Dynamik und auch darauf, wie viel Sicherheit vom Orchester kommt. Simone Young ist eine extrem routinierte Wagner-Dirigentin. Sie hat seit Jahrzehnten den „Ring“ intus und ist mit jeder Note verheiratet. Es ist für die Sänger sehr beruhigend, wenn sie vom Orchester so getragen werden.

Wie sieht es in diesem Jahr mit der Werkstatt Bayreuth aus? Im zweiten Ringjahr, waren ja einige Veränderungen unübersehbar …

In vielen Theatern übernimmt bei Wiederaufnahmen ein Assistent und der Regisseur wird gar nicht erst angefragt. In Bayreuth ist das anders. Da erfolgte eine ausdrückliche Einladung von Katharina Wagner, wiederzukommen. Man hat die Möglichkeit, sich zwei Monate hier aufzuhalten und mit neuen Menschen auch neue Ideen zu entwickeln. Es ist auch für die Darsteller, vor allem für die Neueinsteiger, ein deutliches Zeichen, wie ernst wir als Team die Proben hier jedes Jahr nehmen. Für mich ist es tatsächlich ein großes persönliches Bedürfnis, jedes Jahr wieder herzukommen und weiterzuarbeiten.

Gibt es viele Neubesetzungen?

Im „Rheingold“ beispielsweise wird mit John Daszak als Loge eine zentrale Figur neu besetzt. Catherine Foster wird dieses Jahr alle drei Brünnhilden singen. Und dann wird Klaus Florian Vogt den Siegfried übernehmen. In Zürich hat er ja schon mal debütiert – aber für hier ist es neu. Das ist besonders deshalb interessant, weil das alles Künstler sind, die mit einem unglaublich profunden Niveau ankommen und die Partien in- und auswendig kennen. Wenn von denen Fragen auftauchen, warum das eine so oder so ist, dann bietet auch mir das die Chance, meine Ideen kritisch zu beleuchten. Auf der anderen Seite ist es hochinteressant, wenn sich ein Sänger wie der US-Amerikaner Michael Spyres eine Partie wie Siegmund neu erarbeitet. Auch da ist die Neugier im Gespräch über Konzept und Figur toll zu spüren.

Und wie sieht es mit denen aus, für die es eine Wiederaufnahme ist?

Bei den Künstlern, die ihre Partien schon oft gesungen haben (wie etwa Tomasz Konieczny den Wotan), kommt eine gewisse Gelöstheit oder Freiheit hinzu. Dadurch sind sie sehr offen für neue Vorschläge der Regie. Für einen, der das noch nie gemacht hat, ist das manchmal etwas ungewohnter. Ich finde beide Varianten spannend. Catherine Foster etwa verlangt direkt, dass wir gemeinsam ihr Rollenporträt weiterdenken. Das sind die Momente, die mich faszinieren. Wenn so viele Sänger im Konzept denken und in der Rolle fühlen, ist das besonders schön! Es ist tatsächlich so etwas wie eine Familie, die hier zu den Festspielen zusammengewachsen ist und in die auch die Neuen herzlich aufgenommen werden. Die Sänger der allermeisten Partien bleiben. Offenbar haben sie alle Lust, wieder herzukommen.

Sie gehören zu den jüngeren Regisseuren – war das hier in Bayreuth ein Problem?

Nein. Hier geht es um Seriosität und Vorbereitung. Wie wir von den Sängern erwarten, dass die ihre Partien beherrschen, erwarten die Sänger von uns, dass wir konzeptuell und regietechnisch das Handwerkszeug besitzen und parat haben. Nachdem das auf beiden Seiten klar war, arbeiteten wir alle gemeinsam auf einem professionellen Niveau auf Augenhöhe.

Hat Sie die ja doch deutliche Kritik in den ersten beiden Jahren überrascht?

Natürlich ist der „Ring“ eines der exponiertesten Werke, bei dem gerade in Bayreuth immer solche Reaktionen zu erwarten sind. Auf der anderen Seite war es schon etwas erstaunlich, dass die Offenheit gegenüber einer starken modernen Setzung bei manchen geringer war, als man denkt. Wir zeigen die mythische Tetralogie eben als menschliches Drama, in dem es unter anderem um Generationengerechtigkeit geht. Es sind die Kinder, die erwachsen werden und die Traumata der Eltern erleben und wieder an ihre Kinder weiterreichen. Vielleicht hat sich da manch einer ungewollt wiedererkannt? Für mich ist entscheidend, dass es ein „Ring“ geworden ist, über den nachgedacht und diskutiert wird.

Bleibt der nachvollziehbare Einwand, dass auch dann, wenn man Ihrem Ansatz folgt, die Klammer am Ende nicht ganz geschlossen wird …

Eine gewisse analytische Offenheit gehört bei Kunstwerken für mich dazu. Davon abgesehen arbeiten wir aber tatsächlich jedes Jahr an der Binnenlogik, um den „Ring“ von mal zu mal noch dichter und stringenter zu kriegen. Es ist wie in einem großen Roman mit vielen Strängen. Wir haben hier den Anspruch, die vier Teile zusammenzudenken und einige Lücken zu schließen. Das Gesamtkonzept steht natürlich. Aber wir arbeiten jedes Jahr daran, hier und da eine verdeutlichende Rückung vorzunehmen und damit den Blick für die Neugierigen zu öffnen und ihnen entgegenzukommen ohne gefällig zu werden. Auch wenn das im Einzelnen nur Details sind.

Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Nach dem Sommer gibt es eine „ringfreie“ Phase. Also erst mal eine Weile Enthaltsamkeit vom „Ring“. Um Weihnachten herum nehmen wir als Team die internen Aufzeichnungen wieder vor und machen ein erstes Brainstorming: Wo ist uns was aufgefallen, welche szenischen Bühnen- oder Kostümveränderungen wollen wir angehen. Und dann im Juni beginnen die Proben mit den Darstellern.

Das bindet über die Jahre doch allerhand Ressourcen, oder?

Mit dem „Ring“ kann man sich ein Leben lang gewinnbringend befassen. Das ist ein unerschöpfliches Epos der Menschheitsgeschichte. Ich glaube, in jedem Regisseursleben schlummert nur ein „Ring“. Man kann nicht wirklich noch einen zweiten herbeizaubern. Besser einmal einen Coup, als zweieinhalb Mal etwas leicht Variiertes.

Wie waren die Publikumsreaktionen bei den verschiedenen Aufführungen? Gab es Unterschiede?

Sie waren tatsächlich auch in den Zyklen jeweils sehr unterschiedlich. Ich war nicht persönlich in jeder Vorstellung, aber so wurde es mir berichtet. Das zeigt, wie heterogen das Publikum in Wahrheit ist. Auch haben mich viele Reaktionen per Email oder Brief erreicht. Die Bandbreite ist enorm. Interessant waren die Podiumsdiskussionen, an denen ich freudig teilgenommen habe. Bei denen fürs deutschsprachige Publikum ging es mehr um die Exegese, darum, wie sich die Inszenierung zur Vorlage verhält. Bei der international ausgerichteten Diskussion in Englisch (mit vielen Amerikanern und z.B. auch Indern) stand mehr die innere Logik der Inszenierung als autonome Geschichte im Zentrum. Ich fand das toll, wie unterschiedlich Kunst diskutiert wird!

Ring – Vorstellungen während der diesjährigen Festspiele: 

  • Rheingold: 28. Juli und 20. August 2024
  • Die Walküre: 29. Juli und 21. August 2024
  • Siegfried: 31.Juli und 23. August 2024
  • Götterdämmerung: 2. August und 25. August 2024

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