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Fidelio - Larissa Krokhina (Leonore), Lars Cleveman (Florestan), Alik Abdukayumov (Don Pizarro). Foto: © Vincent Leifer
Fidelio - Larissa Krokhina (Leonore), Lars Cleveman (Florestan), Alik Abdukayumov (Don Pizarro). Foto: © Vincent Leifer
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Mix Dir was … Am DNT Weimar gibt Intendant Hasko Weber sein Opernregiedebüt mit Beethovens „Fidelio“

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Hasko Weber war von 1990 an regelmäßig am Staatsschauspiel in Dresden und bleibt hier als der bis 2001 die Ästhetik des Hauses prägende Schauspieldirektor in guter Erinnerung. Nach Jahren am Schauspiel Stuttgart ist er seit 2013/14 Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Dort hat er als gestandener Schauspielregisseur natürlich schon Goethes „Faust“ gestemmt. Das gehört bei seiner Biographie in dem Job einfach dazu. Aber Weimar ist auch das führende Opernhaus in Thüringen. Da lag für den Chef ein Operndebüt sozusagen auf der Hand: Beethovens „Fidelio“.

Das Stück kennt jeder Opernbesucher. Es ist schwierig, steht aber unter Artenschutz. Immerhin hat es Beethoven mit seiner einzigen Oper zu einem Stammplatz im Repertoire gebracht. Wird gerne bei nationalen Ereignissen von Rang gespielt. Ist ziemlich pathetisch und jubelt am Ende wie das Finale der Neunten. Und das schon so lange, dass man beim Überhören des Textes gut trainiert ist. Wieso redet der Bösewicht Pizarro davon, dass er jetzt den Mörder morden will? Oder eine Nummer kleiner: wieso ist es für Rocco ein solches Wagnis, dem potenziellen Mordopfer ein kleines Stückchen Brot zuzustecken, wo er gerade allen Gefangenen gegen einen ausdrücklichen Befehl eigenmächtig einen Hofgang gewährt hat? Und was in aller Welt hat Leonore eigentlich konkret vor? „Töt' erst sein Weib!“ Was ist das für ein Plan? Hier helfen die Regisseure gemeinhin und stecken ihr eine Pistole zu, so dass sie zumindest den Schatten einer Überlebenschance hätte, wenn denn nicht sekundengenau der im Auftrag des Königs Alle rettende Minister antrompetet würde. Wenn die Sängerin, die die Ehefrau spielt, die einen Mann spielt, um ihren eingesperrten Gatten irgendwie zu retten, zu dem Kerkermeister, bei dem sie sich sogar als potenzieller Schwiegersohn eingeschlichen hat, in klassischem Sängerinnen-Sprech sagt, „Ich habe Mut und Kraft“, dann geht das nur deshalb ohne unfreiwillige Lacher durch, weil Beethovens Musik genial und populär ist, und weil die besten Vertreterinnen ihres Fachs eben auch diese Leonore singen wollen. All das muss von der Regie bewältigt werden, bevor es an die Interpretation des Balanceaktes zwischen Singspiel, Befreiungsoper und Lobpreis der Gattenliebe geht. 

Hasko Weber, Thilo Reuther (Ausstattung) und Bahadir Hamdemir (Video) beginnen zur Ouvertüre mit einem Statement. Auf der leeren Bühne schweben die Buchstaben der Wortes Freiheit im Halbrund. Als Projektionsfläche für einen Videomix aus Demonstrationen aller Arten. Darunter: der einsame Florestan mit geballter Faust, beim Selfie mit Pizarro bevor er auf dessen Wink von vermummten Schlägern zusammengeschlagen und fortgeschafft wird. 

Die Bühne kommt auch danach mit einer beweglichen Wellblech-Mauer mit Stacheldraht (in Mexikohöhe) aus. Der Singspieleinstieg zwischen Marzelline (frisch und klar: Caterina Maier) und Jaquino (überzeugend prägnant: Jörn Eichler) ist auf eine nüchterne Szene vor einem heruntergelassenen Wellblechvorhang an der Rampe reduziert. Sie, selbstbewusst auf dem Stuhl mit dem Laptop auf dem Schoß. Er, im Anzug, mit Sonnenbrille und dem dazugehörigen Machohabitus. In der Hand eine weiße Rose, die nach dem „Mir ist so wunderbar“ Quartett in Flammen aufgeht. Ein einzelner sonderbarer Augenblick fürwahr. Dann wird vor allem die Geschichte, Szene für Szene, klar erzählt. 

In der Personenführung mit der erkennbaren Detailgenauigkeit des Schauspielregisseurs, bei dem die Sänger auch die übrig gebliebenen gesprochenen Dialoge ohne Peinlichkeit bewältigen. Anders als gewohnt ist der exzellent sprechende und mit zunehmender Virilität singende Christoph Stegemann als Rocco keineswegs ein brummelnder Beinahepensionär. Der latente Freiheitsdrang und die dagegen eingesetzte Gewalt werden mit entsprechenden Videos vor allem illustriert. Und mit einem herausfordernd provozierenden Verhalten der Gefangenen im Guantanamo-Orange beim (vokal leider missglückten) Gefangenenchor gegenüber Jaquino.

Wenn Rocco dann den Don Pizarro im Mafialook (mit schmetternder Wucht: Alik Abdukayumov) rabiat zu Boden drückt, kommt das über ein gewollt wirkendes Verdeutlichen einer Absicht nicht hinaus. Immerhin schleicht sich beim finalen Jubel über das errungene holde Weib … (der Mann und seine Beute, die auch noch funktioniert!) unter die eingeblendeten Videos eins mit offensichtlich organisiertem Massenjubel, wie er nur noch in Nordkorea funktioniert. Immerhin ein diskretes Fragezeichen hinter dem allzu brav zelebrierten Happyend. Ansonsten ist alles paletti. Pizarro wird von den Gefangenen entsorgt. Jaquino, hier dessen rechte Hand, macht weiter wie bisher und kriegt wohl auch noch Marzelline, die das „Ich liebe dich“ für eine(n) Andere(n) aufs T-Shirt gemalt hatte. Deren Verwirrung der Gefühle gehört zum Kollateralschaden beim Befreiungskampf, den aber die blonde Schönheit Lenore in ihrem schmucken roten Kleid gar nicht wahrnimmt. Und in der Mitte als ein Standbild von Minister: Uwe Schenker-Primus, ganz in Gold und mit einer Zigarette danach.

Bei Leonore (Larissa Krokhina mit Emphase) und Florestan (Lars Cleveman, der auch, wenn er von Stille singt, bis zur vollen Wagner-Lautstärke aufdreht) gibt’s ein finales Küsschen und Händchenhalten – von Trauma oder Entfremdung keine Spur. Florestan empfand nur den einsetzenden Jubel ein bissl laut. Beim ihm gibt sich das schnell. Das Publikum hat es da nicht so einfach. Auch Niklas Willén ließ es mit der Staatskapelle, die auch so nicht ihren besten Tag hatte, ganz schön knallen, blieb aber andererseits eher behäbig. Nichtsdestotrotz: der Schlussapplaus war ungeteilt. Man soll ja nicht immer vergleichen, aber die Vorgänger Inszenierung an diesem Haus (von Thilo Reinhardt 2005) war strittig, aber hatte doch ein anderes Format. Nicht nur wegen der heute als Brünnhilde amtierenden Leonore Catherine Foster.

Nächste Vorstellungen: 31.03., 08., 23., 28.04., 14.05., 03., 15.06. 2017

www.nationaltheater-weimar.de

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