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Der kleine Prinz (Simon Boley) und der Pilot (Dan Glazer) sind völlig erstaunt vom Einsatz des Laternenanzünders (Ilia Sarkisov), der alles in Gang setzt, um seine Laterne wieder zum Leuchten zu bringen. Foto: Wilfried Hösl
Der kleine Prinz (Simon Boley) und der Pilot (Dan Glazer) sind völlig erstaunt vom Einsatz des Laternenanzünders (Ilia Sarkisov), der alles in Gang setzt, um seine Laterne wieder zum Leuchten zu bringen. Foto: Wilfried Hösl
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Münchens Staatsopern-„Campus“ theatralisiert Saint-Exuperys „Kleinen Prinzen“

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„Man sieht nur mit dem Herzen gut“ ist der wohl berühmteste Satz in Antoine de Saint-Exuperys Welterfolg-Büchlein „Der kleine Prinz“. Dementsprechend lautet der nächste Satz „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“. Dennoch wagte das Kinder- und Jugend-Programm „Campus“ der Bayerischen Staatsoper nun eine Theatralisierung.

Münze, Briefmarke, Comic, Film und Musical – nahezu alle Formen der „Weiterverwertung“ haben sich Autor sowie Pilot und kleiner Prinz, die beiden Hauptfiguren, gefallenlassen müssen. Darunter nimmt die neue Münchner Tanztheaterfassung mit Kompositionen von Darius Milhaud und Erik Satie künftig einen besonderen Platz ein: exquisite Musik, ein wenig Text, typisiert „sprechende“ Choreographie und viel Zauber des „armen Theaters“.

Im Rennert-Saal der Staatsoper saß das altersmäßig bunt gemischte Publikum auf einer Tribüne vor einer Art Sandwüste im dunklen Raum. Zu ersten zarten Klängen von Klavier, Klarinette und Violine des seitlich postierten Kammermusik-Quintetts kam im Halbdunkel ein junger Mann durch die Wüstenei gegangen, wie einst Saint-Exupery bei einem seiner vielen Abstürze. Er schien froh, eine öde Haltestelle mit Wartehäuschen, Fahrplan nach Irgendwohin und ein wenig Licht von einer bald flackernden Laterne zu finden (Bühne: Linda Sollacher). In dieser Einsamkeit erzählte er gleichsam sich – und dem Publikum –, dann auch einem völlig desinteressierten Laternenanzünder von seinen Versuchen als „Künstler“. Als schon wieder Einsamkeit drohte, tauchte aus dem Dunkel der kleine Prinz mit seiner Pappkrone auf. Sie sprachen keine gemeinsame Sprache, kommunizierten aber sofort durch ein gemeinsames Idiom: Körpersprache bis hin zum Tanz.

Der aus dem Bayerischen Staatsballett herausgewachsene ägyptische Tänzer Maged Mohamed hat in vielen kleinen Produktionen theatralische Erfahrung gesammelt. In enger Zusammenarbeit mit Susanne Gagerle, Violinistin im Staatsorchester, wurden aus Milhauds Trio-Suite op. 157b, seinen „Saudades do Brasil“ und „Création du Monde“ sowie „Cinéma-fantaisie“ und Saties „Gnossiennes“ eine feinsinnig vielfältige Klangwelt für wechselnde Instrumentalkombinationen be- und erarbeitet: mal träumerisch zart, mal sperrig steif, mal turbulent lärmend, mal verführerisch weich, mal elegant melodisch – perfekt die rote Robe der „Rose“, den Hermelin-Mantel des monomanen Königs, Zylinder und Spazierstock des eitlen Gecken, den goldenen Bodysuit der Schlange im oder die gefährliche Schnauz-Maske des geschmeidigen Fuchs begleitend. Mohamed hat dazu eine nie rein tänzerisch dominierende, sondern charakterisierend erzählende Bewegungssprache geschaffen, die die aktiven und ehemaligen Solisten des Staatsballetts wie die traumschöne Ekaterina Petina (Rose) bis hin zum ergraut souveränen Peter Jolesch (König) als raffiniert wechselnd ausgeleuchteten „Sand-Tanz“ vorführten: eben dadurch einerseits surreal der Wirklichkeit enthoben, andererseits aber stets erneut human kommunizierend – weshalb auch die ganz jungen Besucher gebannt die kleinen Handlungen verfolgten und, wann immer die Musik zu einem Ende kam, begeistert losklatschten.

All das steigerte sich am Ende zu Jubelstürmen, denn Schauspieler Dan Glazer besaß ohne Getue den Charme eines in der Wüste dieser Welt verlorenen Träumers, dem eben so ein zauberisches Wesen wie der kleine Prinz begegnet. Und der war einfach zum Staunen: Simon Boley, kleiner Schüler der Ballettakademie der Musikhochschule; er hatte gut 60 der pausenlosen 70 Bühnenminuten zu „tun“, sprich: vorsichtig zu erkunden, mit dem Pilotenfreund tanzend zu sprechen, mit dem herbei gewünschten Ball aus Schaf-Fell zu turnen, mal fröhlich im Sand zu toben, die Schlange zu bestaunen, von der Rose betört zu sein, herzualbern und wieder ein Tänzchen zu wagen – über alles choreografische Gedächtnis hinaus mit allem jungenhaften Furor fein umgesetzt – stupend! Zu Recht mit in diesem Haus seltenem, völlig ungetrübtem Jubel belohnt – und in weiteren Schul- und Familienvorstellungen zu bestaunen.

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