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Deutsche Oper Berlin. Interieur. Foto: Hufner
Deutsche Oper Berlin. Interieur. Foto: Hufner
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Musikalisch komplett, aber ohne Szene – Giuseppe Verdis „Il Trovatore“ an der Deutschen Oper Berlin

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Dass „Il Trovatore“ an einem Opernhaus bejubelt wird, ist nichts Ungewöhnliches. Seltsam jedoch, wenn es sich – im Vorfeld des Verdi-Jahres – an einem Haus, welches jahrelang exemplarisch war für aktuelle Auseinandersetzung mit dem Genre Musiktheater, um eine konzertante Aufführung handelt. An der Deutschen Oper Berlin stand bis zuletzt eine Inszenierung von Hans Neuenfels auf dem Spielplan, die sich – allerdings nicht ganz so spektakulär und stimmig wie die allererste Operninszenierung dieses Regisseurs, 1974 in Nürnberg, „Der Troubadour“ – eigenwillig mit Handlung und Musik dieser Oper auseinandergesetzt hat.

Nunmehr konzertant also Verdis Oper über das ungleiche Brüderpaar, dessen bessere Hälfte den Blutsverwandten, einer inneren Stimme folgend, am Leben lässt, während der andere ihn zunächst fast tot schlägt und dann exekutieren lässt. Der bessere der Beiden ist ein Künstler, eben der titelgebende späte Minnesänger, zugleich aktives Mitglied der Aufständischen, der andere hingegen ist der offizielle Vertreter der Macht, Graf Luna. Beide lieben die selbe Frau – der Künstler glücklich, aber hin- und hergerissen zwischen ihr und einer anderen, die sich als seine Mutter ausgibt, wodurch er scheinbar auch der von Luna aufgrund einer zunächst mysteriösen Vorgeschichte verhassten Minderheit der Zigeuner angehört. So einfach ist die Grundkonstellation des Librettos von Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare, das von Giuseppe Verdi als Oper vertont, am 19. Januar 1853 in Rom zur Uraufführung kam – und seither als die unverständlichste Handlung der bekannten Opernliteratur gilt. 

Letzterer Fakt schien der jetzigen Leitung der Deutschen Oper Berlin den Verzicht auf jegliche Optik umso näher zu legen, bei dieser an Ohrwürmern reichen und gerne anderweitig adaptierten Partitur, – deren blutrünstiger Kampfchor etwa zur Titelmelodie der langjährigen Sendung „Für Bergsteiger und Naturfreunde“ im Hörpunkprogramm des Bayerischen Rundfunks mutierte.

Doch was die strichlose, konzertante Aufführung an Zeit für szenische Verwandlungen der Folge von vierzehn Bildern einsparte, machte heftiger Applaus – mitunter sogar während der Nummern – wett.

Ovationen schon nach der ersten Arie der Leonora, die von Anja Harteros mit makellosen Tönen und intensiv im Ausdruck verkörpert wird. Jubel auch für Dolora Zajick: überaus voluminös interpretiert die amerikanische Altistin die Azucena – mit zwei Stimmen, dramatischem Soprantimbre und einer künstlich abgedunkelten Tiefe. 

Ebenfalls nur mit Phonstärke siegt Stuart Neill, bei dessen Auftreten vor dem Orchester – nach dem ersten Einsatz aus dem Off – ein leise entsetztes Raunen durch die Reihen des Publikums ging, denn der amerikanische Tenor gemahnt optisch an ein fälschlich in die Breite gezogenes Fernsehbild. Sympathien gewann er bei der Premiere erst mit der zweistrophigen Stretta und mit jenem darin von Verdi nicht komponierten, aber zur Tradition gewordenen hohen C, das Neill auch auf den Nachschlag ausdehnt; allerdings offenbarten im Schlussakt angeraute Piani einen übergebührlichen, gestemmten Kraftaufwand.

Weitaus angenehmere und rundere Leistungen bieten Dalibor Jenis als geschmeidiger Graf Luna und Marko Mimica als beachtlich kraftvoller, hell timbrierter, jugendlicher Ferrando, der sich auch im Frack Rudimente einer szenischen Darstellung nicht nehmen lässt.

Nur im schwarzen Hemd hingegen setzt der gerade einmal 25 Jahre alte Veroneser Andrea Battistoni am Dirigentenpult Verdis Partitur quirlig in Schwung. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin vermag die Intentionen des jungen Maestro ab den diffizilen Streicherfiguren der Einleitung feinfühlig umzusetzen, und die exquisiten, von William Spaulding einstudierten, im Mönchschor des vierten Teils mit Pianisissimi brillierenden Choristen folgen ihm trefflich, – nicht immer so präzise die vor ihm an Pulten platzierten Solisten.

Die Programmvorschau für die kommende Saison verrät, dass die künftige Leitung der Deutschen Oper Berlin sinnvoller mit dem Genre konzertante Oper zu verfahren gedenkt.  Das Opernhaus an der Bismarckstraße wird szenisch realisierten Bühnenwerken vorbehalten sein, während die konzertanten Opern in der Philharmonie und im Konzerthaus zur Aufführung gelangen: im Mai 2013 erklingt erstmals in Berlin die in Schottland angesiedelte, pausenlose Urfassung von Wagners „Der fliegende Holländer“, im Juni gefolgt von der Deutschen Erstaufführung der Oper „Le Vaisseau fantome , ou Le maudit des mers“, der Vertonung von Wagners Prosaskizze des „Fliegenden Holländer“ durch Pierre-Louis Dietsch.

Weitere Aufführung. 9. Juni 2012.

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