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Dota Kehr, eine recht junge blonde Künstlerin, steht die Arme schräg nach oben ausgestreckt mit ihrer Gitarre hinter einem Mikrofon. Rechts neben ihr der kurz und schwarhaarige Gitarrist Jan Rohrbach mit Halbakustik-Gitarre.

Gelungenes Eröffnungsexperiment: Dota Kehr und Jan Rohrbach. Foto: Ralf Dombrowski

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Musikfest Blumenthal: Dota Kehr, Dvorák, Ives, Beethoven und Poetry Slam

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Vieles war neu. Blitzschlag zum Beispiel. Am zweiten Festivalabend entlud sich ein Blitz über dem Gebälk des Konzertspeichers von Schloss Blumenthal. Das anschließende Unwetter ließ Ziegel zerstieben, an einigen Stellen duschte es minutenlang durchs Dach, bis zur Ruhe nach dem Sturm. Die angerückte Feuerwehr prüfte kurz den Ort, ein paar Stuhlreihen waren vorläufig unbenutzbar. Kein Grund, das Publikum auf Dvoráks „Serenade für Streicher E-Dur“ länger als meteorologisch notwendig warten zu lassen. Die Camerata Vitilo griff zu den Instrumenten und beglückte die Menschen, diesmal zusätzlich mit dem sonderbar bewegenden Gefühl im Hintergrund, die Launen der Natur und die Segnungen der Kultur an einem Abend erlebt zu haben.

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Neu war auch die Eröffnung: Das Musikfest Blumenthal startete nach einem gelungenen Pilotversuch im Vorjahr seine vierte Ausgabe mit einem Experiment, das über den Kreis der klassischen Hörgewohnheiten hinausreichte. Der künstlerische Leiter des Veranstaltungswochenendes, der Klarinettist Georg Arzberger, und sein Team hatten die Berliner Liedermacherin Dota Kehr im Duo mit dem Gitarristen Jan Rohrbach eingeladen. Mit einer ausbalancierten Mischung aus Lakonik und Zuwendung sang sie ihre Lieder, oft eher Miniaturen, als ausladende Betrachtungen. Einige Texte stammten von Dichterin Mascha Kaléko, emotional fragile Betrachtungen über die Liebe und menschliche Vergänglichkeiten. 

Anderes entsprang der eigenen Poesie, mit einer Tendenz zur Melancholie, auch zu politischen Stellungnahmen und der gesellschaftlichen Bigotterie etwa um Umgang mit Geflüchteten. Da Dota Kehr vor kurzem bereits ein Programm zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg verwirklicht hatte und einige der Stücke daher mit Partituren für Streicher vorlagen, konnte die Camerata Vitilo in der zweiten Konzerthälfte mit dem Gast aus Berlin zusammenspielen, Festivalmomente, die in ihrer charmanten und zugleich ein wenig vorsichtigen Gemeinsamkeit der Musikwelten einen Weg in eine Richtung wiesen, die unter Berücksichtigung des begeisterten Applauses durchaus fortgesetzt werden könnte.

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Dota Kehr und schräg hinter ihr drei Violinist:innen des Festspielorchesters.

Hier verschmelzen Pop, Jazz, Bossanova und Klassik miteinander. Ein Abend mit der Sängerin Dota Kehr, Gitarrist Jan Rohrbach und dem Festspielorchester Camerata Vitilio. Foto: Ralf Dombrowski

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Ziemlich neu war auch der umfassende Zuspruch durch das Publikum, auch wenn sich der Trend im Vorjahr schon abzeichnete. Alle Konzerte des Musikfests waren mindestens gut gefüllt, wenn nicht ausverkauft. Blumenthal konnte einerseits mit der Autarkie des Schlossgeländes in der Nähe von Aichach punkten. Es bot von der eigenen Käserei und dem Hofladen, bis zu Biergarten, Spielplatz, Park und historischen Gebäuden ein Ambiente, das neben den Musikfans auch Familien oder spazierende Zaungäste anzog. Ein Wanderkonzert etwa bezog wechselnde Stationen vom Park bis zur Kapelle vor Ort mit ein, Kinder- und Educationprogramme boten dem Nachwuchs die Möglichkeit, Musik zu entdecken oder sich selbst auszuprobieren. 

Und die Camerata Vitilo schließlich erwies sich als Festivalensemble auf herausragendem Niveau. Von Georg Arzberger zusammengestellt – selbst Klarinettenprofessor an der Hochschule für Musik und Theater München und Kind der Region –, versammelte es Kolleg*innen großer Orchester von der Kammerphilharmonie Bremen und dem Gürzenich Orchester bis hin zur Deutschen Oper Berlin und des Orchesters der Bayerischen Staatsoper, um zum Abschluss neben den Dvorák-Serenaden vom Vortag auch Ives, Mozart und Beethoven zu präsentieren. Das war viel Programm, umfangreich und auf moderne Art, auch mit Blick auf Reisen, Verpflegung, überhaupt Organisation und Durchführung möglichst nachhaltig gestaltet.

So ist das Musikfest Blumenthal noch immer ein wenig neu für die Region. Aber es hat gute Chancen, sich schon mit Blick auf die Runde fünf zu einer Institution zu entwickeln. Denn es verbindet den Enthusiasmus der Veranstalter mit der künstlerischen Kompetenz des Programmteams und dem Bedürfnis, über die Blase der klassischen Konzertwelt hinaus zu blicken. Gute Voraussetzungen für eine Zukunft.

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Der recht junge Mann mit kurzen blonden Haaren sitzt tief auf einem kleinen Podest und schaut zu Musikern die einige Meter vor ihm stehen und auf dem Foto nur zuerahnen sind.

Mit wohlverdient zufriedenem Blick: der Klarinettist und künstlerische Leiter Georg Arzberger. Foto: Ralf Dombrowski

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