Ein Fest – und schon im Foyer läuft die Feier aus dem Ruder. Das Hochzeitspaar wahrt zwar die Fassung, doch der Organist trinkt sich so hackedicht, dass seine Lippen kaum mehr den Flaschenhals finden, während eine Partynudel jeden ernsthaften Regieansatz verzappelt . Man ist belustigt und verstört über den Beginn dieser „Fairy Queen“ in Stuttgart, wo Oper und Schauspiel zum zweiten Mal gemeinsam einen „Purcell stemmen“.
Aber je länger man der Aufführung folgt, je sinnfälliger, je alternativloser wird dieser Beginn – und umso hinreißender, runder und wahrhaftiger wird diese Oper, die es ja eigentlich damals zur Entstehungszeit noch gar nicht als Gattung gab. „The Fairy Queen“ ist eine der fünf Semi Operas, die Purcells Ruhm schon zu Lebzeiten ausmachte und die man sich wie einem Baukasten denken kann. So gesehen, lässt sich die Größe des Stuttgarter Geniestreichs daran ermessen, dass es schwer vorstellbar ist, „The Fairy Queen“ jemals wieder anders zu denken als in der der Regie von Calixto Bieito, egal wie viel aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ und dem ursprünglichen Libretto da nun „drin“ ist.
Drin ist ein sich in die grellste Erotik, in die bedingungsloseste Liebe und in den schwärzesten Verrat steigernder nächtlicher Reigen verschiedener Paare: ein Wahn, ein Alptraum, ein Taumel des Bodenlos-Unterbewussten. Von all dem singt der Chor zwar am Ende, „… und immer, wenn die Sonne aufgeht, soll es ein neuer Hochzeitstag sein, und geht sie unter, eine Hochzeitsnacht“. Was dazwischen liegt, kennt jedoch unzählige Spielarten, Gedanken und Äußerungen – ja, Meinungen, Missverständnisse und Eifersüchteleien, wenn nicht sogar Krieg. Dabei gibt es viel zu lachen in dieser Inszenierung. Zu sehen aber ist im Grunde eine derangierte Gesellschaft, deren Protagonisten eine Riesensehnsucht nach dem Glücklichsein verspüren. Ein schöner Traum, liebenswert durch Ironie! Er und nicht in erster Linie die vielen aufs Heute weisenden Einfälle macht „The Fairy Queen“ so zeitlos gültig, zeitlos wie die Emotionen der Purcellschen Musik.
Die wird hervorragend interpretiert durch die Instrumentalisten des Staatsorchesters, den Chor, sechs phantastische Solostimmen sowie sieben Schauspielerinnen und Schauspieler, allen voran Maja Beckmann als Puck und anfängliche Partynudel: „… Kobold führt sie alle ab, in Land und Stadt.“ Wie hier tragen deutsch gesprochene Verse Shakespeares zu Strukturierung bei, ebenso eine sinnfällige Drehbühne von Susanne Gschwender, auf der wie in den Reihen eines Amphitheaters die Musiker sitzen, Backstage aber auch die Darsteller und Sänger agieren. Ein toller Abend, in jeder Hinsicht. Riesenapplaus.