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Neue Harmonie in der bayerischen Hauptstadt

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Beim ersten „Klangfest“ im Gasteig stellen sich nahezu alle unabhängigen Münchner Labels mit ihren Künstlern vor
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Bei der Vorbesprechung gab es noch einige bange Blicke der Organisatoren. Würden sich die mittags noch leeren Flure des Münchner Gasteigs zum ersten „Klangfest“ füllen? Würde also die neuartige Publikumsmesse der Münchner Musikszene, veranstaltet vom Label-Dachverband VUT Süd im Verband Unabhängiger Musikunternehmen, angenommen? Als dann um 15 Uhr mit der Sternschnuppe Band der erste der 29 halbstündigen Auftritte auf vier Bühnen begann, waren alle Befürchtungen obsolet.

Nicht nur diese Kindervorstellung im großen Carl-Orff-Saal war bestens besucht, auch beim Auftakt der Open-Air-Bühne im Hof (der Celibidache-Forum heißt und auch nur so im Programm stand, was zur häufigsten Publikumsfrage Anlass gab) wiegten sich mehrere hundert Besucher im Reggae-Takt der Songs von „Jam​aram“. Bei „Panzerballett“, Jan Zehrfelds wilder Band, die Heavy Metal mit Jazz kreuzt, musste die Black Box eine halbe Stunde vor Beginn wegen des Andrangs geschlossen werden. Schlangen vor den Türen beherrschten das Bild dann auch bei fast allen weiteren Konzerten. Geschätzte 10.000 Besucher hatten sich bis Mitternacht beim „Klangfest“ getummelt. Nicht nur viele eigens dafür angereiste Musikinteressierte, Musiker und in irgendeiner Weise am Musikbetrieb Beteiligte, sondern auch viel „Laufkundschaft“ bekam einen Eindruck über die Vielfalt, Qualität und überregionale Bedeutung der Münchner Musikszene von Jazz und Weltmusik bis zu Rock, Pop und Elektro.

Ein so kaum zu erwartender Erfolg, der den Mut belohnte, dass sich die Mehrzahl von Münchens Musikproduzenten und Labels erstmals zusammengetan hatte. Ein Unterfangen, das vor zehn oder zwanzig Jahren wohl eher undenkbar gewesen wäre. Doch die Zeiten, als es sich die Musikindustrie leisten konnte, in einzelnen Genres zu denken, ihre Claims abzustecken und in ewigem Konkurrenzkampf festzustecken, sind im digitalen Zeitalter eben definitiv vorbei. Der zunehmend schwierige Markt führte insbesondere bei den überwiegend von musikbegeisterten Idealisten betriebenen unabhängigen Münchner Produzenten und Lables zur überfälligen Einsicht, dass man nur noch vereint ein größeres Publikum erreichen und eine Plattform von überregionaler Bedeutung aufbauen kann.

Genau das war auch der Grund, warum das Münchner Kulturreferat die Veranstaltung unterstützte. Kulturreferent Hans-Georg Küppers hatte vorab befunden: „In der Welt ist München als Musikstadt in seiner Vielfalt bekannt und geschätzt, nur in München selbst gibt es Nachholbedarf.“ In der Tat haben sich ja am ehesten die Disco-Beats der späten Siebziger als „Sound of Munich“ ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingegraben, ein eher zweifelhaftes Ruhmesblatt. Eine Stadt auf der Suche nach ihrer musikalischen Identität jenseits der staatstragenden großen Orchester – auch das „Klangfest“ reihte sich in dieses Generalthema ein, das eine Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung vor zwei Jahren angeschlagen hatte. Nicht nur die Macher selbst haben es entdeckt, auch der Volkskunde-Professor Johannes Moser von der Ludwig-Maximilians-Universität veranstaltet derzeit eine sechsteilige Diskussionsreihe, die unter dem Titel  „Sounds of Munich“  die Genres von Volksmusik bis Jazz nach dem Beziehungsgeflecht von Musik und ihrem Entstehungsort abfragt.

Ein neues Bewusstsein für den eigenen Ort gab nun auch dem mit fast zwei Jahren Vorlaufzeit in Szene gesetzten „Klangfest“ sein Gepräge. Schon alleine, weil es nicht nur die heimischen Labels waren, die sich hier präsentierten, sondern überwiegend auch Musiker aus München und Umgebung: Die Soulband „Candycream“ – immerhin bereits einmal in den UK-Charts platziert – zum Beispiel, die Reggaeband „Jamaram“ oder auch der klassische Gitarrist Johannes Tonio Kreusch trafen auf viele Jazzkollegen, vom Trio Elf und den Bands von Christian Elsässer oder Chris Gall (die beide ihre neuesten Projekte vorstellten) bis zu Jenny Evans, Lisa Wahlandt oder die Fusion-Veteranen Embryo. Internationalen Glanz verbreitete noch am ehesten die Pianistin Clara Ponty, Tochter des legendären Jazzgeigers Jean-Luc Ponty. Die lokale Dominanz war einerseits gewollt, andererseits auch aus der Not geboren: „Die Auswahl der Künstler geschah im Wesentlichen nach zwei Kriterien: nach der Qualität und der Bereitschaft, ohne Gage zu spielen“, sagt Daniel Dinkel von Galileo Music, der Leiter der „Projektgruppe Klangfest“. Denn das Budget von schätzungsweise 50.000 Euro ging überwiegend für Technik und Werbung drauf, auch die Organisatoren und Moderatoren arbeiteten ausschließlich ehrenamtlich. Gagen und ein aufwendiger Reisekostenetat waren da nicht drin.

Wie bei den meisten Premieren zeigten sich auch hier rasch Ansatzpunkte für Verbesserungen. Die halbstündigen Sets waren eindeutig zu kurz, besser wären 45-minütige Konzerte mit gestrafften Umbaupausen und dafür der einen oder anderen Band weniger. Die Medienlounge war zu versteckt und mit Jürgen Jung als beinahe einzigem Moderator völlig unterbesetzt – so erstaunlich und bewundernswert dessen Kondition bei mindestens 25 Interviews auch war. Insgesamt aber wurde es eine runde Sache, von der Auswahl der Künstler und der Qualität der Musik – wer sich davon nachträglich ein Bild machen möchte, beim VUT ist die Doppel-CD „Klangfest 2010“ erhältlich, ein Sampler, auf dem die meisten der Auftretenden vertreten sind – bis zur Präsentation der Labelstände und dem Informationsangebot an die Besucher. Und eben ein derartiger Publikumserfolg, dass nicht mehr in Zweifel steht, was sich Kulturreferent Küppers stellvertretend für alle Veranstalter und Beteiligten gewünscht hatte: „Ich würde mich freuen, wenn diese spannende und abwechslungsreiche Veranstaltung dauerhaft einen festen Platz im Münchner Kulturleben findet.“

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