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Foto: Philhomoniker
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Offenbachiade à la Ralf König

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Mit einem Berlin-Gastspiel endet die 15jährige Ära von Alexander Strauch beim Münchner Ensemble „Philhomoniker“. Roland H. Dippel hat sich das queere Spiel zu Gemüte geführt.

Passenderweise gab es beim der abschließenden Hommage keine Blumen, sondern die weitaus mehr standesgemäße Goldpapier-Prinzenkrone für den Münchener Komponisten und Spiritus Rector Alexander Strauch. Mit seiner Prinzengarde, den 25 Herren der Philhomoniker, manövrierte er von 2000 bis jetzt vorbei an Rosamund-Pilcher-Weisheiten und rammte mit den Fackeln von Witz und Übermut wiederholt die Hochkultur. Das brachte Substanz und Spaß für alle Seiten und besonders für das immer wieder überrumpelte Publikum.

Wenn’s am schönsten ist, soll man(n) aufhören. Die Philhomoniker München folgten einer Einladung der Kleinen Berliner Chorversicherung nach Berlin-Tempelhof. Vermittelt durch den preußisch-bayerischen Queer-Sänger Eugen Gehring fand das ‚farewell‘ für Alexander Strauch also nicht an der Isar statt. Vorerst zum letzten Mal gab es nach fünfzehn Vorstellungen die von Strauch eigens für das Ensemble kreierte Comic-Choir-Oper „Queen Edward II“ und brachte es im Theatersaal der ufa-fabrik zum stillen Exodus dreier heterosexueller und anderthalb schwuler Paare. Programm der Philhomoniker mit Strauch war sowieso immer die sensitive, nie die billige Unterhaltung.

Seit Alexander Strauch 2000 die künstlerische und musikalische Leitung des im vagen Ungefähr dahintreibenden Ensembles übernommen hatte, änderte sich (fast) alles. Die schwulen Chöre gingen auf in der GLBT-Bewegung, es gab den Ausbruch aus der Subkultur in die Soziokultur und mit der Entdeckung queerer Konsumenten als kräftige DINKs- und Singlequoten packte die queeren Ensembles der künstlerische Ehrgeiz. Zuschauerkräftige Foren dafür gibt es inzwischen längst: Chortreffen que(e)r durch Europa, dann die Chorvereinigung Legato und die Sängerolympiade Various Voices, die von den Philhomonikern für München 2018 ausgerichtet wird.

Der Erhalt der Ehrenmitgliedschaft verpflichtet: Als Leiter des Various Sounds Orchestra bleibt Alexander Strauch neben seinen vielschichtigen Aufgaben zum Beispiel im Vorstand des Neue-Musik-Festivals ADEvantgarde und im Bayerischen Komponistenverband den Philhomonikern verbunden.

Einer seiner besonderen Verdienste ist der pädagogische Eros, mit dem einerseits der Musiktheater-Enthusiast Strauch die genderbewussten Herren für die Ästhetik-Diskurse der Bayerischen Staatsoper und Bayreuther Festspiele aufschloss. Und andererseits, wie er mit Hartnäckigkeit affine Künstlerpersönlichkeiten für die Mitarbeit bei den Philhomonikern einspannte. Da bleibt nur ein Wunsch offen: Mehr Interesse von Seiten der Gralshüter. Dass Operndirektionen quer durch Deutschland und Österreich durchweg kein Interesse an einer Kooperation zeigten, lässt tief blicken. Zwischen All-Generationen-Projekten, Bürgertheater und den inzwischen zum Standard gehörenden U6-Krabbelecken-Depots zur Entlastung konzertwilliger Eltern ist das Modul „GLBT-Education“ erst wenig bis gar nicht entwickelt.

Strauch, der mit seiner testosteronprallen Boxer-Oper „Joe und Max“ und einem „Utopia“ für die Semperoper Dresden auch ganz andere Saiten aufzieht, hat erst in einer Adaption von Händels „Giulio Cesare“, einem Mix aus Barock und Grand-Prix, mit den Philhomonikern bei Heim- und Gastspielen gepunktet. Als finalen Bravour-Streich seiner insgesamt über zwanzig Programme beschenkte er 2015 das Ensemble mit der Choropern-Revue „Queen Edward II“. Für die Video-Einspielung der Conference zwischen Loriots Fernsehansage und einer britischen Geschichtsstunde holte er Christopher Robson, der als verdienter Barock-Buffo des Nationaltheaters München seine Expertisen auch gerne für die Philhomoniker ausstellt. Mit der gar nicht so einfachen abendfüllenden Choreografie, sinnreichen Spielkarten als Sandwich-Poster-Kostümen und der stilsicheren Veredelung genrespezifischer Travestie-Avancen beauftragte er die Regisseurin Martina Veh, die gerade am Opernhaus Erfurt als Uraufführung Kirchners „Gutenberg“ inszeniert. Assistiert hatte der Edward-Darsteller Nikolaus Mair, seinerseits längst kein Unbekannter mehr als Bühnengestalter für die Münchener Szene.

Prominenz satt also für ein Werk, das man im seriösen Klassik-Contest vielleicht „Szenische Chorkantate“ nennen würde. Aus dem Kollektiv der Höflinge, Krieger, Franzosen, Briten, Gefolge, Knechte treten einzelne Spieler heraus: Alles echte Kerle in den zentralen Rollen des mannstollen König Edward II, seines Dauerlovers Gaveston, der schleierumduftet-schwulenfeindlichen Königin Isabelle, ihres Bettlümmels Mortimer und des knackigen Hoffnungsträgers Edward III. Man(n) liegt richtig: Das Ganze hat eher das Schweben von Offenbachs „Blaubart“ oder „König Karotte“ als das Lanzen- und Flötenfieber von „Ezzelin der Grausame“ bei den Ritterschauspielen Kiefersfelden. Aufklärung, Agitation und Jammerattacken bleiben draußen, dafür orientierten sich die 20 Herren auf der Bühne am trockenen Witz Ralf Königs. Make Ups und Pompadours werden im Spieleifer weder verwüstet noch geschleudert, weil es sie nicht gibt. Nur die Königin trägt Leder(-tasche).

Der Komponist am Pult nahm die eine oder andere Präzisionsfreiheit aus Überschwang gelassen, Frank Setzle am Klavier hielt das Rudel opernvirusinfizerter Bären und Bambis zusammen. Am Ende viel Freude, Applaus und etwas Wehmut.

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