An der Oper Frankfurt präsentieren Regisseurin Katharina Thoma und Dirigent Karsten Januschke mit leichter Hand die eher selten gespielten „Banditen“ von Jacques Offenbach.
Offenbachsound vom Feinsten unter den Räubern – „Die Banditen“ an der Oper Frankfurt
„Man muss gemäß der Position stehlen, die man in der Gesellschaft innehat.“ Das verkündet der Räuberhauptmann Falsacappa in der dritten Szene des zweiten Aktes von Jacques Offenbachs Opéra-bouffe „Die Banditen“ aus dem Jahre 1869 im Brustton der Überzeugung. Sagt’s und ahnt nichts vom pfiffigen Bert Brecht, der ein paar Jahrzehnte später in seiner „Dreigroschenoper“ dem Ausrauben einer Bank, die Gründung einer Bank gegenüberstellt. Was ungefähr auf das Gleiche hinausläuft. Das Publikum in der deutschen Bankenmetropole par excellence versteht das auf Anhieb.
Nicht nur der Operetten-Erfinder und jahrelang amtierende -König Offenbach und seine Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy, auch die Regie und das Publikum sympathisieren natürlich, schon genrebedingt, mit den Außenseitern, die ihr stehlendes Handwerk wie eine Art Familienunternehmen begreifen. Wo zwar auch die Tochter des Chefs Fiorella ihr Scherflein beisteuern muss, der Papa ihr aber fürsorglich die Zigarette wegnimmt, weil Rauchen der Gesundheit schadet. Es ist wunderbar wie Elizabeth Reiter zwischen authentischer Lieblingstochter und Berufsräuberin changiert. Als sie sich in einen zunächst beklauten Bio-Bauern (soviel Übersetzung in die Gegenwart muss schon sein) verliebt, kriegt der die Chance, sich beruflich umzuorientieren, und ins Unternehmen einzusteigen. Weil die Tochter das so möchte und dieser Fragoletto offenbar kein rechtes Zutrauen in die Agrarpolitik hat. Die gelegentlich eingefügte EU-Flagge deutet an, was gemeint ist. Dass der junge Mann von Kelsey Lauritano verkörpert wird hat nichts genderpolitischen Umerziehungsversuchen zu tun – es ist schon bei Offenbach eine Hosenrolle, was sich bei Regisseurin Katharina Thoma jedoch in die wunderbar leichte, spielerischen Ironie einfügt, die den ganzen mit zwei Dreiviertel Stunden gar nicht mal kurzen Abend durchzieht.
Dabei muss vor allem jede Menge Personal koordiniert werden. Seine Räuber hat Gerard Schneider als Falsacappa souverän im Griff. Alles beginnt in romanischem Ambiente, das Etienne Pluss an der spanisch-italienischen Grenze, die es natürlich nur in der Operette gibt, auf die Bühne gezaubert hat. Unter einer reichlich befahrenen Autobahnbrücke auf der man in der Höhe den Verkehr erahnt. Neben einem Häuschen am Zickzack verlaufenden Weg gibt es einen alten Grenzschlagbaum, der so eingerostet ist, dass er erstmal geölt werden muss. Dahinter ein Gebirgsblick und jede Menge bewegliches Kulissengrünzeug hinter dem sich das halbe Dutzend Räuber problemlos verstecken kann, wenn denn mal Carabinieri mehr daher stolzieren als aufkreuzen. Die Lustig-ist-das-Räuberleben-Stimmung dieses Aktes wird nur getrübt, weil die Geschäfte auch in diesem Gewerbe eher schlecht laufen. Musikalisch klingt auch das aber durchweg nach bestem – wenn auch etwas weichgespültem und sich bei sich selbst bedienendem – Offenbachsound vom Feinsten.
Dass Fiorella den ihr zufällig in die Hände fallenden Prinzen von Mantua (Peter Marsh) ziemlich beeindruckt und laufen lässt, ist eine kleine Geste mit großer Fernwirkung, denn das rettet der ganzen Bande am Ende das Leben. Dass der Biobauer und Neuräuber Fragoletto einen Kabinettskurier schnappt, der eine spezielle Hochzeit zwischen den Höfen im italienischen Mantua und im spanischen Granada einfädeln soll, setzt die eigentliche Handlung in Gang. Der Clou ist, dass bei diesem Deal zwischen den Spaniern und den bei ihnen verschuldeten Italienern nach Abzug der Mitgift für die spanische Prinzessin noch drei Millionen bleiben, die an Spanien gezahlt werden sollen. Falsacappa will den Italienern seine Tochter als spanische Prinzessin unterjubeln und so an die Millionen kommen.
Zuerst kapern die Räuber den Gasthof „Zum fröhlichen Grenzverkehr“ und nehmen (denkbar durchsichtig und komödientauglich) die Rolle der Wirtsleute ein, um dann erst die Rolle der Italiener und dann die der Spanier einzunehmen. Als sie im dritten Akt in Mantua abkassieren wollen, stellt sich heraus, dass der dortige Schatzmeister zur Verblüffung des ahnungslosen regierenden Prinzen die Staatskasse geplündert hat, also nichts mehr zu holen ist. Als dann noch die echten Spanier in Unterwäsche aber mit spanischer Grandezza auftauchen, baumelt bald der Strick für die Räuber von der Decke. Bis gerade noch rechtzeitig die gute Tat Fiorellas, die den Prinzen einst laufen ließ, Zinsen trägt und der sie allesamt begnadigt. Die Moral von der Geschichte ist, dass die Banditen mit der kriminellen Energie, die an den Höfen herrscht, eh nicht mithalten können. Vielleicht wechseln sie ja zu den Biobauern, was immer das auch bedeuten mag.
Die opulent turbulente Szene auf der Bühne und das geschmeidig immer wieder eskalierende musikalische Feuerwerk, das Karsten Januschke mit dem nicht allzu groß aber adäquat besetzten Opern- und Museumsorchester entfesselt, passen durchweg zusammen. Katharina Wiedenhofer hat zudem jede Ensemblenummer der entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den Räubern, Wirtsleuten, Italienern oder Spaniern erkennbar kostümierten Protagonistengruppen durchweg genau der Musik folgend durchchoreografiert. Auch die Aktualisierungen des deutschen Textes wirken nie aufgesetzt, sondern entsprechen der mit dem Genre sympathisierenden Haltung, die man braucht, wenn man sich eine Operette vornimmt. Wie das geht, kann man jetzt in Frankfurt besichtigen. Und sich dabei auch noch köstlich amüsieren. Das Frankfurter Premierenpublikum jedenfalls jubelten diesen Banditen zu!
Weiterlesen mit nmz+
Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.
Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50
oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.
Ihr Account wird sofort freigeschaltet!