Am Ende, wenn es unterm Hanfbaum im mitternächtlichem Grün rundgeht und ein Sommernachtstraum auf Droge tobt, wird klar, was in dieser komisch-fantastischen Oper eigentlich an abgründigem Potenzial steckt. Unverwüstlich ist Otto Nicolais Version der Shakespeare-Komödie über den dicken Ritter, der an permanenter Selbstüberschätzung seines Sexappeals leidet, ohnehin. Selbst dann, wenn sie, wie jetzt in Magdeburg, mit zeitgeistiger Fremdmusik und kalauernden Stammtischwitzchen aufgepeppt wird.
Was beides nicht nötig ist, da für „Die lustigen Weiber von Windsor“ kein Rettungsbedarf besteht. Die funktionieren auch so: Wie der abgehalfterte Ritter, der seine Wirtshausrechnung nicht bezahlen kann, gleich mit den beiden verheirateten Frauen Fluth und Reich anzupendeln versucht. Und sich nicht mal die Mühe macht, für jede einen eigenen Brieftext zu formulieren. Wie die beiden das natürlich sofort merken und den Dicken erst in einen Wäschekorb und dann ins Wasser befördern. Und wie sich der, ziemlich bedröppelt, noch Mal auf ein erst recht unwahrscheinliches Rendezvous bei Nacht und im Freien einlässt. Das ist in Shakespeares Theatervorlage, in Verdis erstaunlichem Alterswurf, aber eben auch in Nicolais Version, quasi für die ganze Familie, schon dank seiner wie geschmiert laufenden Komödienmechanik ein Vergnügen. Für die Zuschauer und für die Akteure auf der Bühne.
Aber so richtig trauen wohl der Regisseur Christian von Götz, sein Bühnenbildner Ulrich Schulz, der bei den Kostümen von Verena von Götz unterstützt wird, dieser Steilvorlage nicht. Sie flüchten aus dem beschaulichen Windsor in einen Bühnenkasten, der auf ein allgemeines selbstironisches Kopfschütteln über den Farb- und Modegeschmack eines mainstreamigen Hippielooks setzt. Auf dem Kopf immer etwas zu viel toupiert, das Outfit der Damen im besten Alter einen Tick zu hauteng auf der gut in Form gehaltenen Figur; von der (knallbunten) Hemd-, (knallengen) Hosen- und noch schrecklicheren Haarmode der Männer ganz zu schweigen.
Als Aufforderung zu einem Amüsement der Erinnerung ans altersmäßig dazu passende Publikum im Saal mag das durchgehen und führte auch zur entsprechenden Resonanz. Fürs Stück ist das eine Belastungsprobe. Hier waltet weniger der Retro-Charme einer Mad-Men-Ästhetik, als die etwas denunziatorische Überzeichnung, in der sich Al Bundys schrecklich nette Familie wohlfühlen würde. Johannes Stermann ist der baumlange, reichlich ausgestopfte und trotz Maske etwas zu junge Falstaff, setzt mehr auf seinen sympathischen vokalen Tiefgang, der die Überzeichnung seiner Figur freilich doch nicht vor der Witzfigur rettet. Zumindest die Erinnerung an die Zeiten, in denen er zu seinem Ruf als Womanizer kam, sollte schon durchblitzen. Da Frau Fluth und ihre Barbies hier einen Beauty-Salon betreiben, kommt der Dicke über einen fahrbaren Wäschekorb in der Riesenwaschmaschine, in der man dann sieht wie mal sein Fuss, mal sein Arm nach oben gewirbelt werden. Ein Witz mit eher kurzer Halbwertzeit. Immerhin funktioniert der Szenenwechsel problemlos. Riesenplüschbank für die Kundschaft und Saunaeingang rein und transparenter Kugelvorhang runter, fertig ist der Salon. Um die Bühnenkiste sonst zu möblieren wird vom Männertagssautomobil über einen Käfer bis zur Tafel reingeschoben, was gebraucht wird. Ute Bachmaier als Frau Fluth (leider die letzte Rolle dieser großartigen Sängerin nach 34 Bühnenjahren) und Lucia Cervoni als ihre Freundin Frau Reich erwerben sich mit körperlicher und stimmlicher Beweglichkeit natürlich die Sympathien des Publikums. Vokal und in seiner Spiellust als Macho ziemlich überzeugend führt Thomas Florio die Herrenriege an. Von der David Zimmer als Hippie Fenton und Paul Sketris als Herr Reich in Strapsen im Finale vor allem darstellerisch punkten.
Michael Balke steht am Pult der Magdeburgischen Philharmonie und manchmal auch etwas auf der Bremse, wobei ihm die explodierende Traum-Turbulenz unterm Drogenbaum musikalisch am überzeugendsten gerät.