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Pomp, Rock und wärmende Strickmuster

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Die Uraufführung des Musik- und Filmprojekts „Shelter“ in der Reihe musikFabrik im WDR
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Der Mensch wird nackt geboren und sucht sein Leben lang Schutz vor Witterung, Nacht, Hitze, Kälte in Höhlen, Hütten, Häusern, Kleidern. Neben physischer Sicherheit bietet ein Zuhause auch vertraute Umgebung, Rückzugsmöglichkeit, Privatsphäre, Geborgenheit im Kreis der Familie, kurzum ein Stück Heimat.

Das Gemeinschaftsprojekt des Ensembles musikFabrik mit der Brooklyn Academy of Music in New York stellte sich jetzt die Aufgabe, unter der Leitung des durch Musik von Steve Reich erprobten Dirigenten Brad Lubman und einem seit vielen Jahren eingespielten Team von drei Komponisten, einer Librettistin, einem Filmer und Regisseur unter dem Titel „Shelter“ neben der existenziellen Bedeutung auch die verschiedenen emotionalen, geistigen, religiösen und ästhetischen Aspekte der Begriffsfelder Schutz und Zuflucht zu beleuchten.

Auf Texte von Deborah Altman und Videos von Bill Morrison komponierten die Begründer des New Yorker Festivals „Bang on a Can“ Michael Gordon, David Lang und Julia Wolfe – allesamt Vertreter der us-amerikanischen Minimal Music – eine Folge von sieben Stücken. Eingangs ist als Inbegriff der bedrohlichen Urelemente eine tosende Meeresbrandung zu sehen, vor der auf sicherer Brüstung Menschen spazieren. Es folgt eine Autofahrt durch eine Felswüste, die durch verwinkelte Brettergerüste durchkreuzt wird, als sollte die ganze Landschaft verbaut und alle Natur domestiziert werden. Eine andere Nummer zeigt ein nächtliches Villenviertel mit erleuchteten Fenstern und als Überblendung davor eine im Wind wehende Gardine. Die filmischen Manipulationstechniken entsprechen den repetitiven Mustern der Musik und sind mit dieser perfekt synchronisiert. Das Motiv „Shelter“ bleibt dabei jedoch etwas einseitig und zu sehr auf Häuser fixiert. „American Home“ basiert auf einer Liste der für den Bau eines US-amerikanischen Durchschnittshauses benötigten Materialien, wozu eine pompöse neo-barocke Intrada erklingt, deren wuchtige Trommelschläge, Pauken und Trompetenfanfaren mit dazwischen aufheulender E-Gitarre eher an absolutistische Repräsentationsarchitektur denken lassen. Anschließend nehmen der süße „Summer evening“ und die Musical-Schnulze „I want to live where you live“ den durch neue Musik geschädigten Hörer unter die zarten Fittiche der drei hervorragenden Sängerinnen des trio mediæval aus Oslo. In Zeiten metaphysischer Obdachlosigkeit nach dem Tod Gottes bieten sich immerhin noch Kunst und Kitsch als Zufluchtsstätten.

Im Hinblick auf die Themenvorgabe erscheint die durchgehend pulsierende Minimal Music als un- und vorbewusstes Drängen oder Bedrängtsein. Zugleich wirken die Kompositionen über weite Strecken austauschbar und lassen eine stärkere Differenzierung zwischen verschiedenen Stufen von musikalischer Vertrautheit und Fremdheit, Gewalt und Milde, Kälte und Wärme vermissen. Sie kennen letztlich nur die Alternative zwischen weichem Cantabile und hartem Marschieren und ihr Bezug zu den Bildern bleibt lose. So erklingt in der letzten Nummer zu historischen Filmaufnahmen eines überfluteten Landstrichs ein fulminanter Zirkuswirbel mit darüber gelegtem psalmodierendem Klagegesang, der abschließend zu einem krachledernen show down gesteigert wird: Ein echter Kraftakt, bei dem die Mitglieder der musikFabrik eher als schwitzende Fabrikarbeiter denn als Musiker gefragt waren. Bei den versammelten Schulklassen des pädagogischen „Plug-in“-Projekts kam das gut an, da es ihnen Wiedererkennungseffekte mit Pop- und Rockmusik bereitete. Ob das Nachwuchspublikum damit aber auch den Weg ins nächste Konzert der Reihe am 3. April findet, wenn Werke von Kyburz, Sciarrino, Xenakis und die Uraufführung von Beat Furrers „recitativo“ auf dem Programm stehen?

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