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Carolin Widmann. Foto: Marco Borggreve
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Sonderkonzert „Auf Wiederhören“ mit Verleihung des Schneider-Schott-Preises an Carolin Widmann

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Ob es eine gute Idee war, das neue Mainzer Konzert-Format „Auf Wiederhören“ mit der Verleihung des Schneider-Schott-Musikpreises an Carolin Widmann zu verbinden, darüber kann man geteilter Meinung sein. Eines aber steht fest: Das magische Dreieck, von dem Laudator Harald Eggebrecht sprach, war im Kleinen Haus des Mainzer Staatstheaters den ganzen Abend über intensiv zu spüren.

Harald Eggebrecht, Musikkritiker bei der Süddeutschen Zeitung und Autor des Buches „Große Geiger“ reagierte mit der Beschwörung der „Heiligen Trinität“ von Werk, Ausführenden und Zuhörern auf die in der Tat kaum überbietbare Präsenz, mit der zuvor die preisgekrönte Geigerin und das Philharmonische Staatsorchester Mainz unter GMD Hermann Bäumer das rasante, technisch ebenso schwierige wie ausdrucksstarke Violinkonzert des schwedischen Komponisten Anders Hillborg (Jg. 1954) dargeboten hatten. Die Frage, warum das 1991/92 entstandene Werk noch keine weitere Verbreitung gefunden hat, führt direkt zu den Qualitäten der Preisträgerin, die Eggebrecht in der anschließenden Laudatio engagiert hervorhob.

Carolin Widmann sei eben keine Glamour-Geigerin, die mit den immergleichen Schlachtrössern des Repertoires durch die Welt ziehe, sondern eine im besten Sinn eigenwillige Geigerin, die sich nicht dem Diktat der Veranstalter beuge, sondern durch Unbestechlichkeit, Neugier und intellektuelle Redlichkeit Maßstäbe setzte. Eggebrecht stellte Widmann ebenso eloquent wie ansprechend in die Tradition jener großen Violinvirtuosen, denen es darum gegangen sei, die Musik zum Sprechen zu bringen – und immer auch die Musik ihrer Gegenwart. Die Preisverleihung als solche wirkte danach etwas prosaisch. Friederike Baechle, die Tochter des Stifters, und Marianne Grosse, die Maizer Kulturdezernentin, überreichten die Urkunde schweigend, und das Publikum ging in die Pause.

Für das neue, vor zwei Jahren erstmals erprobte Mainzer Konzertformat „Auf Wiederhören“ blieb danach nur ein halber Konzertabend mit zwei kurzen Stücken – beide für kleinere Besetzung. Das Stück „Hrím“ („Raureif“) der isländischen Komponistin Anna Thorvaldsdóttir (Jg. 1977)  für Kammerorchester (mit einfacher Streicherbesetzung) dauert ca. 8 Minuten, die Sinfonie Nr. 5 „Amen“ ihrer russischen Kollegin Galina Ustwolskaja (1919-2006) für Sprecher, Violine, Oboe, Trompete, Tuba und Holzwürfel braucht etwa 13 Minuten. Damit war eigentlich Zeit genug, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen, Teile der Musik zu wiederholen, Eindrücke und Qualitäten der Stücke zu diskutieren – bis zur abschließenden Entscheidung des Publikums über das „Auf Wiederhören“ im 3. Sinfoniekonzert am 28. und 29. November.

Tatsächlich aber bestand wenig Klärungsbedarf – wozu mit Sicherheit die ausgefeilte, packende Realisiation beider Werke durch die Mitglieder des Mainzer Staatsorchesters und den Sprecher Dmitriy Ryabchikov (vom Jungen Ensemble des Staatstheaters) beitrug. Sowohl Thorvaldsdóttirs musikalische Landschaftsimpressionen zwischen Geräuschen und Melodiefragmenten als auch Ustwolskajas russisches Stimmungsbild mit der beharrlichen Vater-Unser-Anrufung über einem trostlos-groteskem Marschrhythmus hinterließen bereits beim ersten Hören einen ebenso suggestiven wie abgerundeten Eindruck, so dass kaum Fragen aufkamen und die Assoziationen und Deutungsansätze innerhalb des Publikums nahe beinander lagen.

Dennoch wurde der gegenseitige Austausch als angenehm empfunden, zumal GMD Bäumer und die Moderatorin Sabine Fallenstein vom SWR-Hörfunk interessante Details und Hintergründe beizutragen wussten. Und wo gibt es das schon, dass das Abonnementspublikum zum Sprechen regelrecht eingeladen wird – und das ohne, wie Fallenstein formulierte, abschreckendes „musikwissenschaftliches Reinheitsgebot“? Dass am die Mehrheit am Ende „Hrím“ (84 Stimmen) den Vorzug über „Amen“ (71) gab, wundert nicht. „Hrim“, 2009/10 entstanden, strahlt eine freundlichere Atmosphäre aus als Ustwolskajas Werk, dessen 24 Jahre alte Düsterkeit durchaus intensiv in die Gegenwart strahlt.

Bäumer wies am Rande darauf hin, dass die Komponistin „Amen“ trotz seiner Kürze und kleinen Besetzung ausdrücklich als Sinfonie verstanden wissen wollte. Das aber bedeutet: Nicht als intime Privatangelegenheit, sondern als öffentliches Bekenntnis. Was das im Kontext der heutigen Allianz von orthodoxer Kirche und „gelenkter Demokratie“ à la Putin in Russland bedeutet, darüber wäre nachzudenken. Vielleicht sollte man beim Philharmonischen Staatsorchester Mainz doch der Anregung aus dem Publikum folgen und im Sinfoniekonzert beide Stücke spielen.

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