„Kino oder Klassik?“ Normalerweise ist diese Frage, wenn sie sich jungen Leuten stellt, relativ schnell beantwortet. Ein Abend bei „Spiderman“ mit Popcorn und Cola scheint verlockender, als Olivier Messiaens „Vergessenen Opfergaben“ zu lauschen. Im Sommer aber ist alles ein bisschen anders, besonders zur Festivalzeit, namentlich wenn es ums „young.euro.classic“ geht. Ins Kino, denkt da mancher, kann man immer noch und vom Preis her macht es kaum einen Unterschied, ob man sich ins Multiplex am Alex setzt oder ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt geht: Alle Konzertkarten kosten gerade mal 8,50 Euro.
Der konstante Eintrittspreis gehört zu den großen Besonderheiten von „young.euro.classic“. Möglich wird er, weil das Festival auch in diesem Jahr wieder zum großen Teil durch private Sponsoren sowie mit Mitteln der Europäischen Kommission und des Hauptstadtkulturfonds finanziert wird. Der niedrige Kartenpreis ist nicht zuletzt auch ein Marketinginstrument, welches die Festivalleitung gezielt einsetzt – jeder kann ihn akzeptieren, egal ob Student, Schüler oder Erwachsener.
Schließlich ist das Konzerthaus Berlin selbst ja schon eine Attraktion für viele. So wird es auch in diesem Jahr wieder ein Publikum vereinen, wie es unterschiedlicher kaum sein kann. Die einen werden in Abendgarderobe zum Konzert erscheinen. Die anderen kommen in Jeans und Pullover, um auch mal „ein bisschen Mugge“ zu hören. Sie alle sind gleichermaßen eingeladen, denn der Erfolg von „young.euro.classics“, so meint auch Kulturministerin Dr. Christina Weis, wird daran zu messen sein, wie Kinder und Jugendliche zu erreichen sind, die sich gewöhnlich nicht für sinfonische Musik interessieren. Das sei, so Weiss, eine zentrale Frage für Orchester und Musikveranstalter, die aufgefordert seien, sich bereits heute um ihr Publikum zu bemühen, damit sie morgen nicht vor halbleeren Sälen auftreten müssten. Und gerade hier kann „young.euro.classic“ mit einer Auslastung von knapp 90 Prozent auf gute Ergebnisse zurückblicken.
Besuchern der vorangegangenen Festivals werden die Rituale noch in guter Erinnerung sein: die allabendlich erklingende Festivalhymne „Salut au monde I“, die Persönlichkeiten öffentlichen Lebens, die jeweils für ein Konzert die Patenschaft übernehmen, das internationale Flair, das sich im Konzerthaus am Gendarmenmarkt breit macht. In diesem Jahr werden rund 1.500 junge Musiker aus ganz Europa zu Gast in Berlin sein. In 14 Orchesterkonzerten und drei „special nights“ mit moderner Kammermusik stellen sie ihr Können unter Beweis und es wird nicht an Highlights fehlen. Vom international besetzten Asian Youth Orchestra, das unter Leitung von Krzysztof Penderecki neben Stücken des Komponisten mit Beethovens siebter Sinfonie aufwartet, über die Junge Deutsche Philharmonie unter Lothar Zagrosek mit Werken von György Ligeti, Mathias Pintscher und Robert Schumann, bis hin zu den erstmals teilnehmenden Gästen aus Rumänien und Bulgarien auf deren Pulten unter anderem die Noten für „Innenzeit I“ von Gabriel Iranyi liegen werden wie auch die „Elegie“ von Todor Popow – beide Stücke sind in deutscher Erstaufführung zu hören.
Der Blick auf das Festivalprogramm zeigt, dass die zeitgenössische Musik zu einem zentralen Thema von „young. euro.classic“ geworden ist. So sind elf Uraufführungen und sechs deutsche Erstaufführungen geplant. Und so wie bereits beim vorigen Festival wurden auch in diesem Jahr wieder Kompositionsaufträge durch die Festivalleitung erteilt. Dass die Verleihung eines Komponistenpreises von einer Publikumsjury vorgenommen wird, ist charakteristisch für den Anspruch des Festivals, Neue Musik und junges Publikum zueinander zu bringen. Ein weiterer Höhepunkt wird zweifellos der Epilog des Festivals am 31. August, bei dem das Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester Bachs Konzert für zwei Violinen und Anton Bruckners siebte Sinfonie spielen wird, dirigiert von Kurt Masur. Eine wesentliche Neuerung von „young.euro.classic“ wird die Kooperation mit neuen Veranstaltungsorten sein, an denen Zusatzkonzerte, so genannte „Satelliten“, organisiert werden. Ein solche Kooperation hat für beide Seiten Vorteile. Zum einen minimieren sich die Kosten für diese Konzerte. Gleichzeitig ergibt sich eine wunderbare Gelegenheit für die Musiker, ein weiteres Konzert während ihres Festivalaufenthaltes zu bestreiten.
Inzwischen gibt es schon viele Reaktionen auf diese Idee, zum Beispiel vom Kloster Chorin oder aus Neubrandenburg mit seiner schönen Konzertkirche. Dort fand bereits im letzten Jahr eine solche Kooperation statt. Im Gespräch ist man darüber hinaus mit Stuttgart. Es gibt auch schon Städte, die sich für 2004 angemeldet haben, sogar aus der Schweiz wurde Interesse signalisiert. Was allerdings aus dem fünften Festival „young. euro.classic“ wird, steht zunächst mal in den Sternen. Vom privaten Sektor, so ist aus der Festivalleitung zu hören, gebe es bereits konkrete Zusagen, ganz anders als von öffentlicher Seite.