Für viele Konzertbesucher beginnt die Premiere von Josef Ramsauers neustem Werk im Rahmen des Orchesterkonzerts an der Katholischen Universität (KU) Eichstätt am 29. Januar 2014 völlig unerwartet. Ein Stück, das Fragen aufwirft, auf die es keine Antworten gibt. Weil es keine Antworten geben soll. Es muss nicht alles erklärt werden – das ist die Devise. „Nachtsedimente“ hat der Komponist das Stück genannt – und Nacht wird es auch im Konzertsaal wenn die ersten Töne erklingen.
Das Werk, das Ramsauer im Oktober 2013 vollendet hat, ist stark auf das Sinfonieorchester der KU Eichstätt-Ingolstadt und den Konzertsaal der Universität ausgelegt. Der 25-jährige Komponist hat hier selbst studiert – angewandte Musikwissenschaften und Musikpädagogik von 2009 bis 2012. Mittlerweile studiert er Musiktheorie und Komposition mit den Schwerpunkten Elektronische Musik und Medialer Kontrapunkt am Mozarteum in Salzburg. Dennoch hat er Eichstätt nicht vergessen.
Für den Komponisten am wichtigsten: Sein Stück soll im Dunkeln erklingen. Das visuelle soll unwichtig werden, der Klang entscheiden. Die Musik ist der Mittelpunkt, nicht Musiker, Dirigent oder große Bühnenshow.
Die Dunkelheit ist für die Musiker des Eichstätter Sinfonieorchesters eine neue Herausforderung. Einen Dirigenten kann niemand sehen. Die Musiker orientieren sich deshalb an den Stoppuhren auf ihren gedimmten Handys. Ihre Stimmen haben sie im Kopf.
Die Dunkelheit während der Uraufführung ist allerdings nicht perfekt. Von der Eingangstreppe am hinteren Ende des Saales sieht man Licht von unten heraufscheinen. Die Handys der Musiker verbreiten einen leichten Schimmer und auch am Tonpult leuchtet eine kleine Lampe. Doch wer verstanden hat, um was es dem Komponisten geht, der schließt einfach die Augen und widmet sich ganz dem Klangereignis.
Ein Rauschen erklingt von einer Seite der Bühne, das vom Band kommt. Nach und nach kommen unterschiedlichste Klänge dazu, die scheinbar aus allen Richtungen im Raum ertönen. Vom Treppenaufgang, im Rücken der Zuhörer, erklingen leise Flötentöne, die als solche kaum mehr zu identifizieren sind. Das Klavier wurde im Vorfeld präpariert. Die angeschlagenen Töne erklingen stark gedämpft. Irgendwo schabt etwas auf einem Becken, woanders rauscht eine Klarinette. Alle möglichen Klänge werden aufeinander gelegt, sodass eine großflächige Klanginstallation entsteht.
Es ist ein Werk, das seine Wirkung nur in dem Moment entfalten kann, das im Konzertsaal zuhause ist. Ein leises Stück, das sich der Instrumente auf seine ganz eigene Art bedient. Melodien sind hier nicht zu erwarten, dafür unterschiedlichste Klangeindrücke, die immer wieder von Stille durchbrochen sind und anders herum. Das Werk ist geprägt von einer gelassenen, ruhigen Stimmung und von leisen Tönen. Selbst der vergleichbar laute Klang des Trommelschlags, der den Mittelpunkt des Stücks verkörpert, verbreitet eher eine entspannte Stimmung, als Aufgeregtheit.
Die Stimmung der Musik springt auf das Publikum über. Als die letzten Töne verklingen, geht das Licht wieder an. Die Zuhörer wirken beeindruckt. Der Applaus, der sich erst zögerlich aufbaut, weil scheinbar niemand die Stille durchbrechen will, bleibt so gelassen wie das Stück selbst. Das Werk hat seinen Zweck, die Zuhörer ganz ohne visuelle Nebeneffekte zu ergreifen, erfüllt.